Haus des Gondoliere – Kunstwerk des Monats September 2002

Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz

Faszination des Verfalls

Das Gemälde Haus des Gondoliere,1960, Öl auf Leinwand, 66 x 93 cm von Richard Fleißner gehört zu den insgesamt acht Gemälden, die von dem Künstler in der Schausammlung der Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz gezeigt werden. Es ist bei den zahlreichen Reisen, die der Künstler in den Jahren 1950 bis 1970 nach Italien an die Adriaküste Venetiens, vor allem nach der Hafenstadt Chioggia gemacht hat, entstanden.

Nach den schwierigen Jahren seit 1938 und nach der Übersiedelung genießt Fleißner, wie viele Deutsche in dieser Zeit, die Reisen in den Süden. Er ist fasziniert von der Küstenlandschaft mit Sand und Meer, den kleinen Städten am Meer mit ihren Häfen, den Fischerbooten, den Gondeln und mit den vielen kleinen Häusern, die meist die Hafengegend prägen. Eindrücke, die er in seinem – neben der beruflichen Tätigkeit an der wieder aufgebauten Münchner Deutschen  Meisterschule  für  Mode – freien  künstlerischen Schaffen, das er in dieser Zeit wieder beginnt, verarbeitet. Diese Eindrücke stehen in gewissem Gegensatz zu den Bildern, die er in seiner Heimat in Böhmen, in Tuschkau, Kreis Mies, im Egerland, in Prag, in Gablonz, an der Elbe sowie bei seinen Reisen an die Nordsee in sich aufgenommen hatte. Die Zeichnungen und Gemälde aus Italien, die auch von Fotoserien begleitet waren, spiegeln das mediterrane Flair, die  intensiven  Farben  des Südens, das von der Freude an Formen und Farbe bestimmte Lebensgefühl wieder. In dem Haus des Gondoliere ist dies alles eingefangen und doch ist es kein Bild, in dem sich die heile Welt wieder spiegelt. Vielmehr zeugt das Gebäude mit seiner Kargheit und mit den Zeichen des beginnenden Verfalls davon, dass der Beruf des Eigentümers nicht zu Reichtum und Pracht führt, sondern von harter Arbeit und nur von  einem  bescheidnen Auskommen gekennzeichnet ist, auch wenn die Gondel ein formvollendetes ästhetisches Werkzeug für den Brot-Erwerb ist.

So ist dieses von südlichen Eindrücken geprägte Bild in einer Linie mit dem berühmten Gemälde Häuser in der Dämmerung von 1937 zu sehen, in dem Eindrücke aus der Heimat im Egerland verarbeitet sind. Bei ihm sind die gedämpften Töne des Herbstes, die die Landschaft trist erscheinen lassen, gewählt. Man hat dieses Bild deswegen auch als „Landschaft im Todeskleid“ bezeichnet. Bei den Gemälden aus Italien sind die Farben heller und weicher. Fleißner gelingt es allein durch die Komposition der Farben die Sonnen-Durchstrahlung der Landschaft einzufangen. Den Gegensatz, auf den es ihm ankam, stellt die sichtbare Kargheit und der beginnende Verfall des Hauses, dar. Dieser Gegensatz ist es, der den Künstler bei allem Flair der südlichen Sonne und der Farben fasziniert.

Richard Fleißner ist 1903 in Tuschkau, Kreis Mies, geboren und 1989 in Gräfelfing bei München gestorben. Nach seinem Studium in Prag wirkt er an der Staatsfachschule in Gablonz und arbeitet als freischaffender Maler und Graphiker. Er nimmt an zahlreichen, auch Internationalen Ausstellungen teil.

1938 wird Fleißner von der Kunstkammer der Nazis gesperrt und  1941 zum Kriegsdienst eingezogen. Nach dem Krieg darf er nach München übersiedeln, wo er bis zu seiner Pensionierung an der Deutschen Meisterschule für Mode und am Berufspädagogischen Institut wirkt. 1967 erhält er den sudetendeutschen Kulturpreis für die bildende Kunst. 1981 vermacht er seine Kunstsammlung und sein Vermögen der Egerland-Kulturhaus-Stiftung Marktredwitz mit der Auflage, eine Egerländer Kunstgalerie als eine Kunstsammlung der modernen Kunst zu errichten. 1991 erhält er eine Einzelausstellung im Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg. 1993/94 erscheint das Werk WIR, in dem 18 sudetendeutsche Künstler, zu denen auch Fleißner gehört, dargestellt sind. 1999 wird nach Durchführung eines Erweiterungsbaus für das Egerland-Museum die Egerländer Kunstgalerie im Altbestand des Egerland-Kulturhauses in Marktredwitz eröffnet.

HAvL