Huldigung des Erzgebirges – Kunstwerk des Monats September 2005

Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz

Huldigung des Erzgebirges - Kunstwerk des Monats September 2005

Imposante Erinnerung an ein großes Ereignis

Als Kunstwerk des Monats der Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz stellen wir ein Gemälde besonderer Art vor. Es ist ein Ölgemälde des Malers Gustav Zindel mit dem Titel „Huldigung des Erzgebirges an Kaiser Franz Joseph I.” Das Gemälde entstand im Jahr 1908. Es wurde vom Erzgebirgsverein mit Sitz in St. Joachimsthal aus Anlass einer Jubiläums-Ausstellung für das Keilberg-Hotel bei Gottesgab in Auftrag gegeben. Es stellt das erste größere Werk des Künstlers dar und ist nun ein Exponat einer Schausammlung für Erinnerungskunst aus dem Egerland, die im Zusammenhang mit der Egerländer Kunstgalerie im Egerland-Kulturhaus Marktredwitz besteht.

Das Gemälde entspricht seinem repräsentativen Zweck im Keilberg-Hotel bereits durch sein großes Format mit 310 x 175 cm. Es hing bis 1918 im großen Saal des Hotels und musste dann auf Anordnung der Behörden abgehängt werden. Zunächst wurde es im Keller des Rathauses in St. Joachimsthal verwahrt. Beim Aufbau des Stadtmuseums St. Joachimsthal im Jahr 1924 wurde das Gemälde im Museum gezeigt, wo es sich bis 1946 befand. Es kam dann aus dem Rahmen genommen und stark beschädigt nach Bayern und befand sich im Besitz des Malers und Grafikers Maximilian Hüttisch (St. Joachimsthal/München), der es dem Egerland-Museum vermachte. 1998 wurde das Gemälde von dem Gustav-Zindel-Schüler Adolf Sachs (* 1925 Platten b. Komotau/ Stuttgart) restauriert

In der Bildmitte steht die Hauptperson, der Kaiser Franz Joseph I. (von 1848 bis 1916 Kaiser von Österreich). Er trägt  einen schwarzen Umhang, dessen rote Innenseite die Körperfigur umgibt und zugleich hervorhebt. Der blaue Uniformrock mit goldenen Knöpfen und Ordensschnalle sowie goldfarbigem Gürtel, die schwarze Hose und der grüne Helmbuschen zeigen, dass hier Franz Joseph als Herrscher offiziell auftritt. Über dem Kaiser wölbt sich der blaue, von weißen Wolken durchzogene Himmel. Auf beiden Seiten des Mittelbildes wird der Platz des Geschehens von Wald begrenzt. Im Hintergrund dehnt sich die Hochebene von Gottesgab mit den Häusern im Stil des Erzgebirges. In den Himmel ragen eine mit Blumen geschmückte blaugoldene Wappentafel und links und rechts je eine Fahne. Die linke goldfarbene Fahne, mit schwarzem Adler und oben mit einem grünen Kranz geziert, wird von einem uniformierten Fähnrich der Veteranen getragen, der von einem Trupp seiner Kameraden begleitet wird. Die rechte hellblaue, mit Goldstickereien geschmückte und mit grünem Buschen gezierte Vereinsfahne des Erzgebirgsvereins ragt aus einer Gruppe von Trachtenträgern heraus, die der Wappentafel – von einem Buben getragen – folgen. Links im Vordergrund ist eine Schar weiß gekleideter Mädchen ins Bild gesetzt, die den Kaiser begleitend und überholend Blumen vor des Kaisers Füße streuen, mit Blumensträußen und -kränzen ihn grüßen. Neben der Mädchenschar eine Gruppe junger Männer mit Hüten und Fähnchen. Daneben bereits am Bildrand drei in Schwarz und Lila festlich gekleidete bärtige Männergestalten, die Honoratioren. Der Vorderste, der eine Ansprache an den Kaiser richtet, ist durch eine weiße Papierrolle in der einen weiß behandschuhten Hand und einen Zylinder in der anderen gekennzeichnet. Die rechte Seite der Bildmitte wird von einer Frauengruppe beherrscht, die ihre Klöppelarbeiten dem Kaiser präsentieren. Hinter einer knienden Frau ist ein Holzgestell mit dem Klöppelkissen, ein Klöppelbock, zu sehen.

Am rechten Bildrand wird das Spektrum der sich um den Kaiser scharenden Menschen durch eine Gruppe von Bauern in Arbeitskleidung und mit Arbeitsgeräten ergänzt. Im rechten Bildvordergrund steht ein alter Mann auf einen Stock gestützt und eine Kraxe auf dem Rücken tragend. Es ist ein Torfstecher (Muthstacher), der  auf seinem Weg innehält und den Blickkontakt zum Kaiser sucht. Neben ihm hockt eine Bäuerin, die wie der Kartoffelkorb und die Hacke neben ihr zeigen, offenbar gerade Kartoffeln gegraben hat. Vor ihr steht ein kleines Mädchen mit einem bunten Blumenkranz, die ihren Hut grüßend schwenkt. Hinter diesem Paar ist am Bildrand ein Mann mit wallendem weißen Bart zu erkennen, der eine Gitarre spielt, mit der er offenbar den Gesang der neben ihm stehenden Frau begleitet. Im Bildvordergrund links grüßen zwei barfüssige Buben mit kurzen Lederhosen. Ihnen sind ein mit Stiefeln, Pluderhose, Weste und gelbem Hut herausgeputzter Bub, einen Krug in der einen und einen Becher in der anderen Hand tragend, und ein mit blauer Jacke und rötlichem Rock bekleidetes Mädchen, das an einem Beutel zupft,  zugeordnet.

Entsprechend der vom Auftraggeber vorgegebenen Absicht ein historisches Ereignis wieder zu geben ist dieses Werk Zindels von einer bemerkenswerten Idealisierung geprägt. Es stellt in gewisser Weise eine Rückbesinnung auf „gute alte Zeiten“ dar. Als erstes größeres Werk des Künstlers nimmt es seine spätere künstlerische Entwicklung vorweg. Sie steht im Gegensatz zu den um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert einsetzenden avantgardistischen Kunstrichtungen des Expressionismus, Futurismus und Kubismus wie sie von Oskar Kokoschka, den Mitgliedern der Dresdner Brücke und der Münchner Blauen Reiter entwickelt wurden.

Gustav Zindel ist am 13. August 1883 in Rodenau bei Komotau geboren. Bereits in der Volksschule wird seine zeichnerische Begabung entdeckt und er erhält frühzeitig fachliche Anleitung durch den akademischen Maler Hans Schottenhammer, bei dem er auch eine Art Lehre machen kann. 1898 –1900 studiert er dann an der Kunstgewerbeschule in Nürnberg. Zurückgekehrt beginnt er seine Erzgebirgsheimat im Bild festzuhalten, Landschaft und Leute darzustellen. Sein erster größerer Auftrag ist das Huldigungsbild, das als Kunstwerk des Monats September vorgestellt wird. Vom Verein zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen erhält er ein Stipendium, das ihm eine Reise nach München und in die Alpen ermöglicht. 1909 ist die erste Ausstellung seiner Werke in Komotau. Die Bekanntschaft mit Josef Hofmann bestimmt dann sein künstlerisches  Schaffen. Er setzt die Forschungsergebnisse dieses Heimatforschers nach dessen Vorgaben und Photographien in grafische Darstellungen um. Neben den Buchillustrationen werden die Werke in Zeitschriften und Postkarten vervielfältigt, so dass er mit seinen Werken einen sehr hohen Bekanntheitsgrad erreicht. 1927 heiratet der Künstler. 1929 übernimmt er die väterliche Landwirtschaft und kauft außerdem das Nachbaranwesen, eine Gastwirtschaft, die als Zindel-Baude zu einem beliebten Ausflugsziel wird. „Was der Erzgebirgsdichter und Sänger Anton Günther in Liedern ausdrückt, hält Gustav Zindel im Bild fest“, wird zu einem geflügelten Wort im Erzgebirge. Nach 1945 muss die Familie als Landarbeiter in Olesna leben, die Söhne werden im Radium-Bergbau in St. Joachimsthal dienst-verpflichtet. Eine Krankheit verhindert die Vertreibung und 1946 wird die Übersiedelung nach Böhmisch-Wiesenthal im Erzgebirge genehmigt. Dort arbeitet Zindel bis er 1959 in Weipert stirbt und in Böhmisch-Wiesenthal beigesetzt wird.

Hans-Achaz v. Lindenfels