Großes Theater auf kleiner Bühne – Alte Marionetten aus Böhmen

Großes Theater auf kleiner Bühne

Alte Marionetten aus Böhmen

Über 250 historische Marionetten und viele Bühnenaufbauten aus Böhmen bilden den Grundstock für diese facettenreiche Sonderausstellung. Die Exponate stammen aus der Sammlung von Anita und Hartmut Naefe.

„Der Grundstock für unsere Sammlung wurde im Jahr 1998 gelegt. Zufällig entdeckten wir auf einem Flohmarkt einige kleine, sehr verstaubte Marionetten. Beim Reinigen der Figuren lachte uns ein kleiner Kasperl plötzlich frech an. Er konnte seinen Mund bewegen! So nach und nach entdeckten wir, welch kleine Kunstwerke diese Marionetten waren und das „Übel“ nahm seinen Lauf.

In relativ kurzer Zeit konnten wir mit Hilfe von Flohmarkt- und Antiquitätenhändlern, unsere Sammlung ständig vergrößern. Unsere Sammlung umfasst zur Zeit etwa 400 Figuren. Sie sind 10 bis 80 Zentimeter groß und zwischen 1870 und 1950 hergestellt worden. Etliche sind ganz aus Holz geschnitzt, andere haben Köpfe und Gliedmaßen aus Masse oder Gips. Zu unserem Fundus gehören 20 Bühnen. Ihre Breite beträgt etwa 40 bis 150 Zentimeter. Sie sind überwiegend mit Kulissen ausgestattet, teilweise noch mit originalen Bühnenvorhängen. Vervollständigt wird unsere Sammlung mit verschiedenen Möbelteilen und Requisiten wie Tische, Stühle, Thronsessel und vieles mehr.

Wir sammeln aber auch einzelne Köpfe und alte Stoffe. Damit lassen sich fehlende und kaputte Teile reparieren oder ergänzen. Schließlich stehen auch ältere Dokumente wie Spielpläne, Lieder, Plakate und Fotos auf unserer Suchliste. Ausschlaggebend für unsere Sammelleidenschaft ist der Charme dieser kleinen Figuren. Die liebevoll geschnitzten und bemalten Köpfe begeistern uns ebenso, wie die aufwendig genähten und verzierten Kleider.

Wenn dann noch die malerische Umgebung einer Bühne mit ihren passende Kulissen als Rahmen zur Verfügung steht, ist man sich der Faszination und der Poesie eines Marionettentheaters bewußt. Nachdem unsere Heimatstadt Viechtach nur 35 km von der tschechischen Grenze entfernt ist, haben wir unser Hauptaugenmerk auf die böhmischen Marionetten gelegt“.


Das Ehepaar Naefe beim Aufbau der Ausstellung

In der Ausstellung des Egerlandmuseums sind etwa 250 Marionetten und 10 Bühnen präsentiert. Die Figuren sind meist in kleinen Szenen in den Originalbühnen mit den Kulissen zu sehen. Viele aber sind auch als Gruppe zu einem bestimmten Thema oder als Aufreihung zusammengestellt.

Die früher gängigsten Szenen sind mit einer großen Bandbreite von Marionettentypen nachgestellt:

– höfische Szenen mit König, Königin, Prinzen, Rittern und Edelleuten
– ländliche Szenen mit Bauer, Knecht, Magd, Räuber, und Gendarm
– allegorische Szenen mit Teufeln, Hexen, Wassermännern und Froschkönig
– Märchenszenen mit Schneewittchen und Rotkäppchen

Besonders dem Kasperl (Kasparek) wurde fast in jeder Aufführung eine gewichtige Rolle zuteil. Infolgedessen wird eine große Anzahl dieser liebenswürdigen, aber auch frechen und sozialkritischen Figuren vorgestellt.


Kleine “Rokokobühne”, Ende 19. Jahrhundert, Marionetten der Firma Marlen, um 1915

Die Ausstellung nimmt Bezug auf die Geschichte des Wander-Marionettenspiels, die klassischen Bühnenstücke und die große Spannweite der Marionetten und Bühnenaufbauten aus Böhmen. Mit Aufführungen von Klassikern der Literatur und Opernwelt traten Wanderspieler mit ihren größeren Bühnen vor allen sozialen Schichten und Altersgruppen auf. Die mittlere Bühnengröße diente wohl als Tischbühne für Schulen. Die kleinsten Bühnen standen als Privattheater zu Hause bei begüterten Familien. Das Figurenrepertoire umfaßte sowohl die “klassischen” Figuren wie Königspaar, Hofvolk, Don Juan, Oma und Opa, Kasperl und Hofnarr, als auch viele mystische Figuren wie Zauberer, Tod, Teufel und grimmige Wassergestalten.

Die Ausstellung widmet sich in einer Dokumentation, die von Jitka Chmelikova erarbeitet wurde, dem in Eger geborenen Paul Löwy (1891 – 1970), der als Marionettenspieler mit seiner “Hölzernen Truppe” weit über das Egerland hinaus zu internationalem Ansehen gelangte. Nach seiner Flucht vor dem NS-Regime blieb der vielseitig begabte Löwy seiner Leidenschaft treu und belebte in seiner neuen Heimat Palästina das Marionettenspiel.


Marionettenbühne der Firma Storch (Prag), Marionetten der Firma Marlen, um1915

Ausstellungsdauer: 30. November bis 15. Februar 2003

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, 14:00 bis 17:00 Uhr
Während des Krippenwegs (26. bis 30.12. 2003 und 01. bis 06.01.2004) 10:00 bis 18:00 Uhr

Begleitprogramm:

Don Juan“ und der „Kleinste Zirkus der Welt“
Traditionelles Marionettentheater im Egerland-Kulturhaus mit Anton Anderle, Slowakei

Als Begleitprogramm zur Ausstellung „Großes Theater auf kleiner Bühne – Alte Marionetten aus Böhmen“ wird im Egerland-Kulturhaus Anton Anderle mit seinem “Traditionellem Marionettentheater” gastieren. Er stammt aus einer bekannten slowakischen Marionettenspielerfamilie. Sie zogen seit Generationen mit ihrem Wagen durch das Land, von Dorf zu Dorf, von einer Stadt in die andere, wie es früher bei Wandertheatern üblich war. Als kleiner Junge saß Anton Anderle bereits hinter der Bühne und schaute zu, wie sein Vater und sein Onkel Marionettentheater spielten. Einige Texte konnte er schon, bevor er lesen und schreiben lernte. Der begabte Junge probierte diese Stücke aus. In ihm wurde schon in seiner Kindheit die Liebe zu dieser alten Kunstart geweckt. So findet man in Anton Anderle noch einen Spieler, der diese Tradition in der Gegenwart weiterführt. Mit seinen Marionetten spielt er das Grundrepertoire der einstigen Marionettenspieler, deren Heimat früher Europa war.

So wie im Laufe der Zeit die alten Marionettenspieler fast ausstarben, so verschwanden unwiederbringlich ihre Schauspielkunst und ihre wertvollen Puppen samt Theaterinventar. Anton Anderle ist nicht nur ein großer Marionettenspieler, sondern auch ein leidenschaftlicher Sammler. Er versuchte ehemalige Spieler aufzuspüren, ihre Erinnerungen festzuhalten und ihre übrig gebliebenen Schätze in seiner bedeutenden Sammlung zu bewahren.

Am 15. Dezember, um 19:00 Uhr, beginnt im Egerland-Kulturhaus Marktredwitz die Aufführung “Don Juan”. Anschließend wird Herr Anderle mit seinem Stück “Der kleinste Zirkus der Welt” demonstrieren, zu welch großartiger Akrobatik seine Marionetten fähig sind. Der Eintritt kostet 8,- Euro. Wir bitten um rechtzeitige Kartenreservierung, da in unserem “Theater” nur etwa 80 bis 100 Sitzplätze zur Verfügung stehen. Reservierte Karten müssen spätestens bis 18:30 Uhr an der Abendkasse abgeholt werden. Ansonsten werden sie zum Verkauf freigegeben.