Später Schnee – Kunstwerk des Monats November 2005

Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz

Später Schnee - Kunstwerk des Monats November 2005

Farbenspiel mit Schneelandschaft

Der Stifter der Egerländer Kunstgalerie, der Maler und Grafiker Professor Richard Fleißner ist in der Schausammlung der Kunstgalerie mit insgesamt acht Gemälden vertreten. Es handelt sich bei diesen Werken um Landschaftsbilder aus einer großen Zeitspanne im künstlerischen Wirken des Künstlers, und zwar zwischen den 1930er und 1960er Jahren. Zu den späten Werken gehört das Gemälde Später Schnee,  um 1960, Öl auf Leinwand, 49, 5 x 36 ,5 cm.

Dieses im Format kleine Gemälde zeigt eine ähnliche Landschaft an der Nordsee wie das Gemälde Letzter Schnee, das wir als Kunstwerk des Monats Juni 2004 vorgestellt hatten. Gezeigt wird eine über die ganze Bildbreite reichende Landschaft, deren Horizont im Hintergrund in einen graublauen Himmel übergeht. Diese weite Landschaft, die sich ausbreitet, soweit das Auge reicht, ist in sich vielfältig gegliedert. Im Vordergrund wird sie von braunen und grünlichen Tönen beherrscht, die von grell-weißen Flecken unterbrochen werden. Auch noch am unteren Bildrand werden diese Farben im Wechsel beibehalten. In der mittleren Zone des Werkes zieht sich über die ganze Breite ein breiter in sich gegliederter  Streifen, in dem grüne und braune Töne mit weißen Streifen und Flecken ineinander übergehen. Es folgt dann vor dem Horizont noch ein Streifen mit blassen blaugrauen Tönen, der wiederum mit weißen und braunen Flecken unterbrochen ist. Dieser Streifen wirkt wie eine Ebene, die zwischen dem Vordergrund und dem Horizont sich ausdehnt. Sie geht in ein weißes Schneefeld über, das nur noch an einzelnen Stellen durch das intensive Blau des Meerwassers unterbrochen wird.

Die Darstellung vermittelt den Eindruck einer unendlichen Landschaft am Meer mit ihren typischen Farbspielen von Grün-, Braun- und Blautönen, die mit dem Weiß des Schnees durchzogen ist. Auf Gegenständliches ist vollständig verzichtet. Die Farbtöne und das Weiß fließen ineinander und grenzen sich gegeneinander ab, ein vielseitiges Farbspiel. Diese Malweise findet sich bereits in dem 1933 entstandenen Gemälde Landschaft mit Weinbergen und in dem 1937 entstandenen Gemälde Böhmische Landschaft. Nun ist der Verzicht auf das Gegenständliche noch stärker ausgeprägt, so dass das Farbenspiel noch beherrschender wirkt. Die Weite und das Unendliche sind jedoch in diesen frühen Werken ebenso typisch wie bei dem Gemälde Letzter Schnee.

Aus der Einordnung des Gemälde Später Schnee in die lebenslange Auseinandersetzung des Künstlers mit der Landschaft wird seine Experimentierfreudigkeit, die bis ins hohe Alter erhalten bleibt, und die thematische Geschlossenheit seines künstlerischen Schaffens deutlich. Die Landschaft birgt für den Künstler, wie er sie empfindet, eine große Faszination. Richard Fleißner ist 1903 in Tuschkau, Kreis Mies, geboren und 1989 in Gräfelfing bei München gestorben. Nach seinem Studium in Prag wirkt er an der Staatsfachschule in Gablonz und arbeitet als freischaffender Maler und Graphiker. Er nimmt seit 1926 an zahlreichen auch Internationalen Ausstellungen teil. Er erhält bereits 1923 den 1. Preis der Kunstakademie Prag und 1924 den Rompreis. Seit 1959 nimmt er regelmäßig an den Großen Kunstausstellungen im Haus der Kunst in München teil. 1938 wird Fleißner von der Kunstkammer der Nazis gesperrt und  1941 zum Kriegsdienst eingezogen. Nach dem Krieg darf er nach München übersiedeln, wo er bis zu seiner Pensionierung (1967) an der Deutschen Meisterschule für Mode und am Berufspädagogischen Institut wirkt. Ab 1957 übernimmt  Fleißner bei der Künstlergilde Esslingen die Leitung der Abteilung für die Sudetendeutschen Künstler. 1967 erhält er den sudetendeutschen Anerkennungspreis für die bildende Kunst. In den sechziger Jahren unternimmt er Reisen nach Italien, in den siebziger Jahren Reisen nach Cuxhaven und an die Nordsee. Die Eindrücke dieser Reisen verarbeitet er als freischaffender Künstler, der er stets neben seiner Lehrtätigkeit geblieben ist. 1973 richtet das Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg eine Ausstellung zum 70. Geburtstag von Richard Fleißner aus. 1978 erhält er von der Künstlergilde Esslingen eine Einzelausstellung aus Anlass seines 75. Geburtstags. 1979 wird Professor Richard Fleißner von der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste zum ordentlichen Mitglied berufen. In den 1980er Jahren ist Fleißner wegen nachlassender Sehkraft gezwungen, seine künstlerische Tätigkeit einzustellen. Frau Gertrud Träger ordnet in dieser Zeit seine Kunstsammlung. 1981 vermacht er seine Kunstsammlung und sein Vermögen der Egerland-Kulturhaus-Stiftung Marktredwitz mit der Auflage, eine Egerländer Kunstgalerie als eine Kunstsammlung der modernen Kunst zu errichten. 1983 findet im Egerland-Kulturhaus Marktredwitz und im Haus der Heimat in Stuttgart eine große Einzelausstellung für Richard Fleißner statt.  1991 erhält er posthum eine Einzelausstellung im Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg. 1993/94 erscheint das Buch WIR, in dem 18 sudetendeutsche Künstler, zu denen auch Fleißner gehört, dargestellt sind. 1999 wird nach Durchführung eines Erweiterungsbaus für das Egerland-Museum die Egerländer Kunstgalerie im Altbestand des Egerland-Kulturhauses in Marktredwitz eröffnet. Zu seinem 100. Geburtstag wird dem Künstler 2001 auch in Gablonz (Joblonec nad Nisou) eine Gedenkausstellung gewidmet.

Richard Fleißner äußerte sich über seinen Bezug zur Egerländer Heimat: „Meine Heimat ist das Fundament für mein persönliches Schaffen. Sie wirkt unbewusst als prägende Kraft in meiner künstlerischen Aussage weiter und zwar im Wesentlichen und nicht im Gegenständlichen“.

Hans-Achaz v. Lindenfels