Speisekarte

“Geborgen und verborgen” – August 2008

Schlemmen beim Hoftraiteur S.M. des Königs von England in Marienbad

Zu den verborgenen Schätzen des Egerland-Museums gehört ein Konvolut von Speisekarten des Hotels Rübezahl in Marienbad. Eine davon wird im August 2008 genau 100 Jahre alt – Grund genug, diese in der Reihe “Geborgen und verborgen” – Schätze aus den Depotbeständen näher vorzustellen.

Hotel Rübezahl in Marienbad

Inhaber dieses Hotel- und Restaurantbetriebes war Georg Zischka. Er wurde 1854 in Bischofteinitz im südlichen Egerland geboren. Im Laufe der Zeit  arbeitete er sich vom Schankkellner zu einem der prominentesten Gastwirte und Hoteliers in Marienbad empor. Um 1890 übernahm er als Pächter den alten Kursaal und die großzügige Gastronomie im Neuen Kursaal. Das Hotel Rübezahl wurde im Jahre 1902 von J. Konig nach dem Entwurf des Architekten A. Heymann gebaut. Das architektonisch bemerkenswerte Gebäude galt damals als das größte “Höhenhotel” Marienbads.

Ein häufiger und zugleich sehr prominenter Kurgast im Hotel Rübezahl war in den Jahren 1903 bis 1909 der englische König Edward VII. So konnte sich Georg Zischka bald Hoftraiteur (Hofkoch) Seiner Majestät des Königs von England nennen. Unsere Speisekarte, datiert auf den 30. August 1908, gibt darüber in vornehmer französischer Sprache Auskunft, was seiner Majestät und den übrigen wohl “betuchten” Gästen als Menü serviert wurde:

Truites de ruisseau à l`eau de sel (Bachforellen in Salzwasser)

Sauce à la Hollaindaise
Citron
Selle d`agneau de Lait à la Broche (Milchlammrücken am Spieß)
Choux de Milan (Milaneser Kohl (Wirsing)
Jambon de Prague à la Gelèe (Prager Schinken in Aspik)
Epinards à la demi-glace (Spinat)
Poularde de Caux flanquèe de Perdreaux (Gebratene Poularde flankiert an Rebhuhn)
Pommes Chip (Kartoffelscheiben)
Auberginen de Paris à l`Eduard VII (Auberginen “Auf Art der klassischen Pariser Küche”)
Peches de Montreuil en Belle-vue (Pfirsiche aus Montreuil)
Riz à la Trautmannsdorff (Reis a la Trautmannsdorff)
Fruits (Früchte)
Mokka

Die Speisekarte ist aus festem Karton, einmal mittig gefaltet, so dass eine kleine handliche Doppelkarte mit einem Seitenformat von 7,0 x 15,5 cm entsteht. Ähnlich einer Visitenkarte ist das gesamte Erscheinungsbild auf die Repräsentation des Gastes, nämlich König Edward VII., ausgelegt. Der Name des Hotels und des Besitzers verschwindet dabei unbedeutend ganz klein auf Seite 2 unten. Im Zentrum der Frontseite prangt in bronziertem Lorbeerkranz mit einer Schleife bekrönt ein fotografisches Portrait König Edwards VII. Darüber sein Wappen, welches auch heute noch als britisches Königs und Staatswappen dient:

Ein geschwungenes Band mit der Aufschrift “Dieu et mon droit” (Für Gott und mein Recht) und stilisierten Tudorrosen dienen als Boden und Legitimation. Darauf stehend halten der englische Löwe links und das schottische Einhorn rechts ein viergeteiltes Schild, mit den drei englischen goldenen Leoparden auf rotem Grund, dem schottischen roten Löwen auf goldenem Grund, der irischen Harfe auf blauem Grund und nochmals die englischen Leoparden auf rotem Grund. Der Schriftzug “Honi soit qui mal y pense” (ehrlos sei, wer Arges dabei denkt) rahmt das Schild, und wird oben von der roten Krone Eduards bekränzt. Außer der Fotografie und den Tudorrosen sind alle Darstellungen mit Prägedruck reliefiert.

Ähnlich, wie auf der Vorderseite der Karte, auf der die Bedeutung des honorigen Gastes hervorgehoben wird, musste auch das Menü auf den Folgeseiten den Ansprüchen des Regenten genügen. Auf der ersten Seite werden die Getränke angeboten:

Piesporter von Anheuser & Fehrs
Pommery sec.
Mattonis Giesshübler
Pilsner-Bier aus der Genossenschaftsbrauerei

Die zweite Seite ist dem Menu wie oben beschrieben gewidmet. Auf der Rückseite wiederum ist das musikalische Programm des Abends angekündigt. Für die Unterhaltung der illustren Gäste sorgte die Musik-Kapelle Wilhelmy.

Vielleicht ist es für den einen oder anderen Leser eine Anregung dieses Menu einmal nachzukochen.

Andrea Martens, Egerland-Museum