Kirchgang im Egerland – Kunstwerk des Monats Dezember 2002

Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz

Bäuerliche Volksfrömmigkeit

Mit dem Kirchgang im Egerland, 1951, Aqarell,34 x 65 cm, von Toni Schönecker wird ein Kunstwerk der Egerländer Kunstgalerie vorgestellt, das typisch für das Lebenswerk des Künstlers ist.

In seiner Komposition und Bildsprache reiht sich das Kunstwerk in das dekorative grafische Werk des Künstlers ein. Dieses ist von einer Art Symbolsprache beherrscht. In dem Aquarell unternimmt der Künstler den Versuch, seinen Figuren auch individuellen Ausdruck zu verleihen und Beziehungen zwischen den einzelnen Personen darzustellen.

Das Werk bleibt auch hier von der Darstellung des Ritualen beherrscht, die Hauptaussage des Bildes hat etwas Symbolisches. Die Volksfrömmigkeit, wie sie im Ländlichen, im Bäuerlichen, auch heute noch existiert, ist sehr stark an bestimmte Riten gebunden, an Wallfahrten, Umzüge, Feste. In diesem Ritualen hat der sonntägliche Besuch des Gottesdienstes mit der ganzen Familie, mit den Alten und den Kindern, eine besondere Bedeutung im Wochen- und Jahresablauf. Zu diesem gemeinsamen Gottesdienstbesuch gehört auch das Gemeinsam-Zur-Kirche-Gehen, der Kirchgang. Die gesamte Familie, in die früher auch die Mägde und Knechte mit einbezogen waren, macht sich vom Haus aus gemeinsam auf den Weg zur Kirche und bereitet sich auf den Gottesdienst bereits auf diesem Weg vor durch Besinnung und Gebet, bei kurzem Verweilen vor einem Kreuz am Weg. Es wird für diesen Gang zur Kirche auch der Kirchweg benutzt, der häufig abseits der Straßen durch die Landschaft führt und zur Besinnung einlädt. So ist der Gottesdienst-Besucher innerlich auf den Gottesdienst, auf die Meditation in der Kirche vorbereitet. Der Weg selbst wird zu einem Teil des  Gottesdienstes. Nach Außen wird diese Vorbereitung durch festliche Kleidung, durch das Sonntagsgewand, und durch gemessenen Schritt gezeigt.

Der Künstler wählt für seinen Kirchgang den Abschluss dieses Rituals: den Eintritt in den Friedhof, der um die Kirche herum angelegt und mit einem Gittertor verschlossen ist. So gedenkt man auf dem Weg zur Kirche auch der Toten der Familie, der Gemeinde, und nimmt sie und das Andenken an sie mit in den Gottesdienst. Es gelingt dem Künstler das Wesentliche dieses Rituals der Innerlichkeit und Frömmigkeit in seinem Werk einzufangen, die Gemeinschaft der Familie, das Besinnliche des Wegs und die Festlichkeit der Gewänder im Stil der heimatlichen Tracht. So wird das Werk selbst zu einem Andachtsbild.

Toni Schönecker ist 1893 in Falkenau a. d. Eger geboren. Nach einer Ausbildung als Fotograf und Tätigkeit in der grafischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien sowie Wanderjahren besucht er nach dem 1. Weltkrieg von 1919 bis 1923 die Akademie der bildenden Künste in München. Bereits während des Studiums werden seine Federzeichnungen bei Verlagen, bei denen er sich als Sportzeichner und Illustrator betätigt, anerkannt.

1924 kehrt er nach Falkenau zurück und arbeitet als freischaffender Künstler. Er ist sehr vielseitig. Es entstehen fast in allen Techniken Werke, vor allem in der Grafik. Die bäuerliche Heimat ist sein Thema mit Tracht, Fachwerkbau und bäuerlichen Menschen. „Was Josef Hofmann in Wort und Lichtbild von der Wesensart der Egerländer und ihrem Brauchtum überliefert, hat Toni Schönecker als Maler und Grafiker erwandert und im Bild festgehalten.“ So schreibt der Egerländer Mundartdichter Josef Weitzer. An Gebäuden in der alten Heimat entstehen Wandbilder.

Nach der Vertreibung lebt und arbeitet Schönecker zuerst in Mittenwald, dann in Wangen i. Allgäu. Dort entstehen auch größere Darstellungen in Sgraffito  an öffentlichen Gebäuden. Thema seines Schaffens ist hauptsächlich die alte Heimat und ihr Brauchtum. Er erhält den Kulturpreis des Bayerischen Norgautages. 1972/1973 entsteht der Egerländer Bilderbogen, das Wandgemälde am Eingang zur Egerländer Kunstgalerie im Egerland-Kulturhaus in Marktredwitz. Es ist sein letztes großes Wandgemälde, das wichtige historische Symbole des Egerlandes in einer Zusammenschau darstellt. Es schmückte ursprünglich den Eingang zum Egerland-Museum, das zunächst in den heutigen Räumen der Kunstgalerie untergebracht war. 1979 stirbt Toni Schönecker in Wangen i. Allgäu.

Das Werk Kirchgang im Egerland ist eine Stiftung des Künstlers.

Hans-Achaz v. Lindenfels