Nachlass Willy Russ

Thema des Monats Januar/Februar 2003

Ein Nachlass von Willy Russ im Egerland-Museum

Kurzbiographie und Werke

Der Geburtsort und ein Atelierstandort des akademische Bildhauers und Keramikers Willy Russ ist Schönfeld bei Elbogen. Hier erblickte er am 07.07.1887 als Sohn des Musikers und Gastwirts Josef Russ und seiner Frau Maria (geb. Kessler) das Licht der Welt. Der Vater spielte oft als Solotrompeter in Kurorchestern. Willy Russ besuchte die Volksschule in seinem Heimatort. Mit 14 Jahren erhielt er ein Stipendium für ein Studium an der Keramischen Fachschule in Teplitz-Schönau. Anschließend besuchte er die Wiener Kunstgewerbeschule und schließlich die Hochschule für angewandte Kunst. Ab 1910 arbeitete er als freischaffender Künstler in Wien. Hier heiratete er die ebenfalls aus Schönfeld stammende Anna Ruppert. Sein erster größerer Auftrag war das Krupp-Denkmal im niederösterreichischen Berndorf. Es folgte bald darauf die 145 Quadratmeter große figurale Keramikfassade in der Wiener Warttmannstrasse, wofür ihm von der Stadt Wien eine hohe Auszeichnung zuerkannt wurde.

Willy Russ kehrte als Invalide aus dem Ersten Weltkrieg zurück und siedelte 1920 mit seiner Familie (eine Tochter) wieder nach Schönfeld zurück. Dort gründete er eine keramische Kunstwerkstätte. Hier entstanden zahlreiche Plastiken, darunter das berühmte Goethe-Denkmal in Bronze für Marienbad sowie Grabmale, Keramiköfen etc. In Luditz lag sowohl der Entwurf als auch die Ausführung des großen Kriegerdenkmals in seinen Händen (Höhe 6,2 m, Länge 7,1 m, Christusfigur 2,2 m). Sein wohl bekanntester Auftrag in seiner Heimat aber war der große Ofen für das Egerer Volkskundemuseum in Zusammenarbeit mit dem Volkskundler Josef Hanika. Die farbig glasierten Keramikkacheln zeigen Stadt- und Märktewappen sowie Trachtenlandschaften des Egerlandes und ein großes „Brauchtum-Programm“ mit Hutzenstube, Winter-Austragen, Osterreiten, Maibaumtanz, Hochzeitssegen der Eltern, Kammerwagen, Erntewagen, Kirchweih oder Kindstaufe. Bei der Erfassung der zahlreichen alten Sinnsprüche war bereits in den 1990er Jahren Seff Heil behilflich. 1941 bis 1943 entstand dieser Ofen in seinen großen Ausmaßen (3 m lang, 1,5 m tief und 3 m hoch). Heute ist dieses wiedererrichtete Werk auf der Egerer Burg zu besichtigen.

Nach der Vertreibung 1946 ließ sich Willy Russ zunächst in Irmelshausen, ab 1955 in Kleinbardorf und schließlich ab 1963 in Merkershausen in Unterfranken nieder. Hier arbeitete in einem bescheidenen Atelier in einem Bauernhaus. Portraitplastiken, Holz-und Tonreliefs aus dem religiösen und bäuerlichen Leben entstanden in dieser Zeit. Unter anderem schuf er ein Tonrelief „tanzendes Bauernpaar“ für den sudetendeutschen Dichter Max Tandler in Forchheim. 1960 fanden bei einer Ausstellung in Schweinfurt seine glasierten Keramiken „Trauriger Pierrot“, „Kruzifixus“ und „Stachelschwein“ große Beachtung. Er war inzwischen Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler und beteiligte sich 1972 an der Gemeinschaftsausstellung „Fränkische Künstler“ im Künstlerhaus am Königstor in Nürnberg. Am Ende seiner Schaffenszeit griff er verstärkt zu Kohle, Bleistift und Kreide. 1974 verstarb Willy Russ am 27.06.1974. Im Jahr 1997 wurden auf der Ausstellung „Künstler im Grabfeld“ in Bad Königshofen 11 seiner Arbeiten sozusagen posthum präsentiert.

Zum Nachlass


Reliefkachel mit Krippenszene von Willy Russ
Kachel mit halbplastischen Figuren
Ton, gebrannt, mit Kaltfarben bemalt
Nach 1945
Bestand Egerland-Museum

Im August 2001 wurde der Nachlass von dem Neffen von Willy Russ in Weiterstadt bei Darmstadt dem Egerland-Museum übergeben. Insgesamt umfasst der Bestand 931 Einzelobjekte. Im Wesentlichen sind dies folgende Objektgruppen:

Plastiken:
13 Skulpturen (Keramik, Holz), davon 10 Plastiken aus Keramik, 1 Plastik aus Holz und Keramik, 2 Holzplastiken

Bilder:
96 Bilder, davon 17 Pastellbilder auf Spanplatte, Sperrholztafel oder Leinwand bemalt, einige sogar doppelseitig (unterschiedliche Thematik), 2 Pastellzeichnungen auf Pappe, 77 Zeichnungen auf Pappe (Postkartenformat) in Pastell-, Bleistift- Kohletechnik, 1 fünfzehnseitiges Skizzenheft (DIN A 5) mit Bleistiftskizzen

Fotosammlung:
7 unterschiedlich große und bestückte Alben mit insgesamt 307 Fotos
Hauptgruppe: Fotos von Plastiken aus Keramik
Daneben auch Familienfotos, einige wenige Atelierbilder
5 Mappen mit eingelegten Blättern und darauf geklebten Fotos von seinen Plastiken
(insgesamt 573 Fotos)
65 diverse Einzelfotos

Die künstlerischen Arbeiten des Nachlasses dürften aus der Schaffensperiode in Unterfranken, also nach 1946 bis 1974 stammen. Ersten Erkenntnissen zufolge sind viele davon im letzten Lebensjahrzehnt entstanden. Hier wendete sich Willy Russ wieder zunehmend religiösen Themen. Die großformatigen Pastellbilder sind überwiegend auf Spanplatten oder Sperrholztafeln gemalt und einfachst gerahmt. Die Dokumentarfotos zeigen z.T. Ateliersituationen, wichtige künstlerische Arbeiten und Familienmitglieder. Erste Aufnahmen stammen wohl bereits aus seiner ersten Schaffensperiode in Wien.

Grenzüberschreitende Ausstellung über Willy Russ und sein Werk

Das Kreismuseum Eger und das Egerland-Museum Marktredwitz veranstalten im Jahr 2004 zum 30. Todesjahr des Schönfelder Künstlers Willy Russ eine Sonderausstellung über Leben und Werk des Künstlers. Die gemeinsame Ausstellung ist zunächst in Eger (3 – 4 Monate im Sommerhalbjahr 2004) und ab November 2004 bis März 2005 in Marktredwitz zu sehen. Der Katalog und die Ausstellungstexte werden zweisprachig verfasst. Im Rahmen dieser Ausstellung müssen verschiedene wissenschaftliche Recherchen zu seinen künstlerischen Arbeiten durchgeführt werden, da a es bisher weder einen umfangreicheren Katalog noch eine wissenschaftliche Abhandlung über Willy Russ gibt. Zurückgreifen kann man auf diverse Aufsätze und Beiträge in Heimatzeitschriften, so z.B. Egerländer Biographischen Lexikon, im Schönfelder Heimatbuch, im Jahrbuch der Egerländer (1976), in der Sudetendeutsche Zeitung (22.06.1973), im „Egerländer (7/1973) und auf einige etwas frühere Berichte in der Karlsbader Zeitung (10.07.1968) oder der Sudetendeutschen Zeitung (11.11.1966) und im Egerländer (10/1966). Eine sehr frühe Erwähnung von Willy Russ findet man im Sudetendeutsche Jahrbuch (1927).

Ein Forschungsansatz kann beispielsweise auf die drei wichtigsten Schaffensperioden von Willy Russ eingehen:

–          die Zeit in Wien bis zum 1. Weltkrieg
–          die Zeit in Schönfeld bis Ende des 2. Weltkriegs
–          die Zeit nach 1946 in Unterfranken

Anhand seiner Dokumentarfotos bzw. Arbeitsmappen wird der Verbleib der Kunstwerke bzw. der heutige Standort hinterfragt. Ebenso sollen zeit- und stilgeschichtliche Einflüsse in seinen Werken aufgezeigt werden. Eine wichtige Gewährsperson für eine Befragung zu Leben und Werk von Willy Russ lebt heute noch in Schönfeld. Das Egerland-Museum Marktredwitz wäre erfreut, wenn weitere Hinweise von Zeitzeugen zu Leben und Werk dieses bedeutenden Künstlers aus Schönfeld eingehen würden.

Sie erreichen uns unter:
Egerland-Museum, Fikentscherstr. 24, 95615 Marktredwitz
Tel. 09231/3907
E-Mail:egerlandmuseum@egerlaender.de

Volker Dittmar M.A.
Museumsleiter