Ofenkachel aus Elbogen

“Geborgen und verborgen” – April 2008

Ofenkachel aus Elbogen

Bei der Renovierung des alten Rathauses in Elbogen (heute Loket) in den Jahren 1986 bis 1988 sollte ein Kachelofen im standesamtlichen Zimmer abgerissen werden, den man als nicht erhaltenswert betrachtete. Durch Zufall wurde dieser Ofen geborgen bzw. in seine Bestandteile zerlegt. Alle Kacheln konnten dann bei einer Aussiedlung in neun schweren Holzkisten verpackt nach Bayern transportiert werden.

Die historische Aufnahme zeigt den Kachelofen des Künstlers Willy Russ am Originalstandort im Standesamt des Elbogener Rathauses.

Das Egerland-Museum zeigt als Auftakt in seiner Reihe “Geborgen und verborgen…” im Monat April 2008 die aussagekräftige große Wappenkachel. Bei dem Kachelofen handelt es sich um eine Arbeit des Schönfelder Bildhauers und Keramikers Willy Russ aus den 1930er Jahren. Der Ofen Sockelunterbau ist aus grün glasierten Kacheln zusammengesetzt. Der Ofenaufbau zeigt dagegen weiß glasierte Kachelflächen, wobei die Frontseite mit datierten reliefartigen Wappendarstellungen der Stadt Elbogen belebt ist. Dieser bemerkenswerte Kachelofen wurde 2005 vom Förderverein für das Egerland-Museum erworben.

Das 1561 verliehene Wappen der Stadt Elbogen ist als Kartuschenform gestaltet. Einige heraldische Farben wurden vom Künstler abgewandelt. Auf dem roten Schild ist eine gezinnte Stadtmauer mit einem geöffneten Tor dargestellt. Darüber befindet sich ein gepanzerter Rechtsarm mit blankem Schwert. Dahinter erhebt sich als Schildhalter der bekrönte Löwe, der in seiner rechten Pranke einen Schlüssel empor hält. Die gebeugte Armhaltung ist als so genannte “redende Figur” (Elbogen) zu verstehen.

Willibald Russ (Künstlername Willy Russ) wurde 1888 in Schönfeld im Egerland (heute Krásno nad Teplou) geboren. Sein künstlerisches Talent sowie ein Stipendium ermöglichten den Besuch der Fachschule für Keramik in Teplitz-Schönau. Danach führte ihn der Weg in die Kulturmetropole Wien zum Studium der Bildhauerei. Damit kam Willy Russ ab 1906 in eine spannungsreiche künstlerische Szene, die geprägt war von der noch jungen Wiener Werkstätte. An der Kunstgewerbeschule legte er einen Schwerpunkt seiner Ausbildung auf die Bildhauerei.

1910 machte sich Willi Russ selbstständig und richtete sich in Wien ein eigenes Atelier ein. In der Folgezeit erhielt er einige größere Aufträge für Denkmäler oder Keramikfassaden. Nach der Heirat mit der ebenfalls künstlerisch begabten Anna Ruppert kehrte er 1920 in die gemeinsame Heimat nach Schönfeld zurück, wo er sich eine keramische Werkstatt einrichtete. In den folgenden Jahrzehnten entstand eine breite Facette von unterschiedlichen Keramiken. Bedeutung erlangten seine Entwürfe für Denkmäler wie beispielsweise die Goethe-Statue in Marienbad. Ob Gebrauchskeramik und Figuren im Stil des Art deco, seine lebhaft glasierten Plastiken, die zahlreichen Kruzifixus- oder Mariendarstellungen oder die derben bäuerlichen und bodenständigen Charaktere der Szenen in den Ofenkacheln des bekannten “Egerländer Kachelofens”, der heute auf der Egerer Burg zu sehen ist: Willy Russ modellierte diese Figuren mit seiner typischen anmutigen und lebendigen Gestaltungsweise.

1946 wurde der Künstler mit seiner Familie aus dem Egerland nach Unterfranken vertrieben. Bis zu seinem Tod 1974 konnte er aufgrund finanzieller Engpässe und einer gesundheitlichen Einschränkung nicht mehr an seine frühere Schaffensphase anknüpfen. In den Jahren 2004 und 2005 widmeten das Regionalmuseum in Eger und das Egerland-Museum Marktredwitz diesem Keramikkünstler und Bildhauer eine umfangreiche Werkschau. Willy Russ ist auch in der Egerländer Kunstgalerie mit einer herausragenden und sehr ausdrucksstarken Plastik vertreten: Dem “Sterbenden Pierrot”.