Puhoi

Thema des Monats Mai 2003

Puhoi – Egerländer Auswanderer nach Neuseeland im 19. Jahrhundert


Puhoi um 1900

Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts verließen mehrere Familien aus dem Egerland ihre Heimat, um in Puhoi/Neuseeland auf der „anderen Seite der Erde“ ein neues Leben zu beginnen. Wahrscheinlich war es vor allem die Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen, welche diese Menschen damals zu einer freiwilligen Emigration veranlasste. Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Böhmen waren um das Jahr 1860 alles andere als günstig. Viele Menschen lebten in relativer Armut. Der Wunsch noch einmal ganz von vorne anfangen zu können und sicher auch eine gehörige Portion Abenteuerlust waren mit ausschlaggebend für die Entscheidung zu einer Emigration.

Der folgende Artikel befasst sich mit der Geschichte der Siedler in Puhoi von den Anfängen bis zur Gegenwart.

Die Geschichte der Übersiedlung

Bereits im Jahr 1859 reiste der aus Mantau in Böhmen stammende Kapitän Martin Krippner nach Neuseeland mit dem Ziel, sich dort anzusiedeln. Er folgte der Einladung des Bruders seiner englischen Frau Emily, welcher kurz zuvor ebenfalls nach Neuseeland ausgewandert war.Krippner kaufte etwa 40 Kilometer von Auckland entfernt Land und versuchte dieses zunächst allein, später mit seiner nachgereisten Frau und zwei weiteren Ehepaaren landwirtschaftlich zu nutzen. Der Versuch war jedoch zum Scheitern verurteilt, weil es ihnen auch zu sechst nicht gelang, das unfruchtbare Land urbar zu machen.

Der Wille sich in Neuseeland anzusiedeln blieb jedoch ungebrochen. Krippner wandte sich an die Kolonialbehörde mit der Bitte nach Land, um eine Einwanderersiedlung mit seinen böhmischen Landsleuten gründen zu können. Nachdem er die Zusage erhalten hatte, schrieb er seinen Brüdern in der Heimat und unterbreitete ihnen sein Vorhaben.

Am 26.2.1863 verließen 83 „Ausreisewillige“ das Egerland und machten sich auf den beschwerlichen Weg nach Neuseeland. Über Prag reisten sie mit der Eisenbahn nach Hamburg und segelten von dort nach Gravesend in England. Hier begann eine 106 Tage dauernde Schiffspassage nach Neuseeland, deren beschwerliche Umstände heute kaum mehr nachvollzogen werden können. Ein Egerländer starb während der Reise an den Folgen eines Unfalls bei einem schweren Sturm.

Als die erste Gruppe der Immigranten schließlich Neuseeland erreichte, war es dort Winter. Mit einem Kutter wurden sie zur Mündung des Puhoi-Flusses (in der Maori- Sprache „Langsamer Fluss“) gebracht und von dort in Kanus der Einheimischen in ihr neues Siedlungsgebiet gerudert. Die Ankunft muss für alle Beteiligten ein Schock gewesen sein. Die ihnen zugeteilten „Wirtschaftsparzellen“ bestanden weitgehend aus dichtem Urwald. Lediglich zwei einfache „Nikau- Hütten“ nach Bauart der Maori dienten ihnen als erste Behausung.


Die ersten Siedler von Puhoi 

Die Entwicklung von Puhoi zur Farmer-Siedlung

Eine landwirtschaftliche Nutzung des mit dichtem Unterholz bewachsenen sumpfigen Hügellandes von Puhoi war anfänglich nicht möglich. Die ersten Siedler waren sogar auf die freundliche Unterstützung der Maori angewiesen. Sie ernährten sich von wilden Pflanzen, von der Jagd und vom Fischfang. Später errichtete man einfache Holzhütten und begann, das Land zu roden.

Erst nach einigen Jahren der „Subsistenzwirtschaft“ gelang es schließlich den Boden zu bepflanzen oder als Weideland zu nutzen. Das gerodete Holz wurde zu Dachschindeln, Zaunpfählen, Eisenbahnschwellen und anderen Produkten verarbeitet und bis zur Mündung des Flusses geflößt, wo es von Dampfschiffen abgeholt wurde.

Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten gelang es Krippner in der Folgezeit, noch weitere Egerländer zur Auswanderung nach Neuseeland zu bewegen. Sein Bemühen war durchaus verständlich, weil er für jeden neuen Siedler eine Belohnung von den Behörden in Auckland erhielt. In den Jahren 1866, 1872 und 1876 trafen dann auch weitere Auswanderergruppen aus dem Egerland in Puhoi ein.

Die wachsende Siedlung erhielt einen entscheidenden Aufschwung durch das Straßenbauprogramm der britischen Kolonialregierung. Viele Männer verdienten hier ihr Geld. Die Landwirtschaft wurde dann weitgehend von den Frauen weitergeführt. Auch die Arbeit auf den sogenannten „Goldfeldern“ brachte einigen Siedlern einen bescheidenen Wohlstand. Man erwarb Nutztiere zum Abtransport des wertvollen Kaori – Holzes, züchtete Schafe zur Produktion von Wolle und hielt Kühe zur Milchwirtschaft.

Als die letzte Siedlergruppe in Puhoi eintraf, hatte der Ort schon eine bescheidene Infrastruktur: Es gab ein Lokal, das sog. „German – Hotel“ (später Puhoi – Hotel), eine Poststation und ab 1876 einen Gemischtwarenladen. Im Jahr 1880 wurde die Kirche eingeweiht.

Obwohl viele der Siedler relativ weit vom Ortszentrum entfernt wohnten, entwickelte sich gerade an den Sonntagen ein ausgeprägtes Gemeinschaftsleben. Man pflegte nicht nur weiterhin den katholischen Glauben, sondern auch die Sprache und Tradition der alten Heimat, des Egerlandes.

Puhoi im 20. Jahrhundert

Die erste Generation der Puhoi – Siedler hatte sich noch relativ isoliert von der übrigen Neuseeländischen Gesellschaft entwickelt. Fehlende Verkehrswege zusammen mit Sprachproblemen und den anfänglich sehr großen ökonomischen Schwierigkeiten verhinderten einen regelmäßigen Kontakt zur übrigen Bevölkerung.

Die sich verbessernde wirtschaftliche Situation und die immer häufiger stattfindenden Handelsbeziehungen nach Außen machten das Erlernen der englischen Sprache unumgänglich.Um die Jahrhundertwende ins 20. Jahrhundert, mit dem langsamen Aussterben der ersten Siedlergeneration, wurde die Umgangssprache in Puhoi Englisch.

Doch auch mit der fortschreitenden Anpassung an die neuseeländische Lebensweise galten die Puhoi Leute immer noch als „Deutsche“. Das verdeutlicht die Tatsache, dass während des 1.Weltkrieges Vorbehalte und sogar Feindbilder gegen die Siedler aufkamen, obwohl mehrere von ihnen an der Seite der Neuseeländer kämpften.

Puhoi wurde in der Folgezeit zu einer typisch neuseeländischen „farming locality“.Um 1967 bestand die Siedlung aus 30 einzelnen, ca. 15-20 km verstreut liegenden Anwesen mit rund 200 Einwohnern. Im Ortskern befanden sich neben wenigen Wohnhäusern nur die Kirche, ein Geschäft mit Poststelle, das Pfarrhaus, ein Wirtshaus und eine Versammlungshalle. Die katholische Grundschule wurde 1964 geschlossen und stand bis zu ihrer Nutzung als „Egerland – Ortsmuseum“ (in den 80er Jahren) leer.


Puhoi im späten 20. Jahrhundert

Puhoi heute – Rückbesinnung auf die Egerländer Herkunft

Aus den Egerländer Siedlern sind heute „echte Neuseeländer“ geworden. Es soll jedoch noch um 1960 einzelne ältere Bewohner in Puhoi gegeben haben, die zumindest Teile der Egerländer Mundart beherrscht haben sollen. Auch der alte Glaube blieb erhalten. Viele Bewohner von Puhoi besuchen den katholischen Gottesdienst. Am Ortseingang ist nach wie vor ein Heiligenschrein zu bewundern.

Obwohl der Kontakt zu den europäischen Verwandten schon nach dem 2. Weltkrieg abgebrochen war, ist das Interesse an der „alten Heimat“ der Vorfahren nie ganz verloren gegangen. Seit dem hundertjährigen Jubiläum von Puhoi im Jahr 1963 entstand ein regelmäßiger Briefkontakt mit den Egerländern im fernen Europa.

Ab 1982 kam es dann zu mehreren gegenseitigen Besuchen. Im Egerland-Museum Marktredwitz wird darauf auf einer gesonderten Tafel mit einer handgezeichneten Erinnerungsurkunde hingewiesen. Fotos vom Besuch einer Delegation des Bundes der Egerländer in Puhoi 1984 und Geschenke aus Neuseeland die im Museumsdepot eingelagert sind, ergänzen das Bild.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der rege Austausch bei vielen Einwohnern von Puhoi zu einer aktiven Rückbesinnung auf die Egerländer Herkunft geführt hat. Das Interesse am Brauchtum mit den Egerländer Trachten, der Mundart und der Egerländer Volksmusik ist wiedererstarkt. Institutionen, wie das Egerländer Ortsmuseum in Puhoi, die „German – Bohemian Heritage Society /1984“ mit einem „Newsletter“, sowie mehrere Veröffentlichungen und wissenschaftliche Arbeiten zeugen von diesem Interesse.

Klaus Jahn M.A. wiss. Mitarbeiter

Literatur:

Droescher, Werner O.:Puhoi – Eine Egerländer Mundart in Neuseeland-, Tübingen 1974.
Felgentreff, Carsten: Egerländer in Neuseeland, Zur Entwicklung einer Einwandererkolonie (1863-1989), Göttingen 1989.
Moonen, R.: Aus dem Herzen Europas unter das Kreuz des Südens – Die Geschichte von Puhoi, Stuttgart 1963.
Schmidt, Ruth Elsa: The Settlement Of Puhoi – An Incident in the overseas expansion of central Europe, Auckland 1934.
Schusser, Franz: Egerländer in Puhoi/Neuseeland; in: Jahrbuch der Egerländer/36.Jg. 1989, S.98-100.
Williams, Judith: Puhoi, the Bohemian Settlement; in: Bade, James N.: The German Connection, New Zealand and German-speaking Europe in the Nineteenth Century, Oxford 1993, S.65-71.
Williams, J. R.: Puhoi Remembers, Puhoi 1981.