Reiter – Kunstwerk des Monats März 2004

Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz

Reiter - Kunstwerk des Monats März 2004

Repräsentative Kleinplastik mit Tier und Mensch

Als Kunstwerk des Monats März 2004 stellen wir eine Plastik von Hugo Uher mit der Bezeichnung Reiter vor. Die Plastik ist aus Porzellan (Biskuit) und weist eine Höhe von 60 cm auf. Die Plastik ist eine der wenigen Bildhauer-Arbeiten des Künstlers aus Porzellan, die erhalten geblieben sind. Das In der Schausammlung ausgestellte Exemplar ist eine Leihgabe von Adelheid Thumser, Marktredwitz. In der Literatur über den Künstler sind zwei Kleinplastiken mit der Darstellung eines Rennpferdes mit Reiter erwähnt. Die eine soll als Sieger bezeichnet sein, die andere als Finish. Wie bei den Kleinplastiken des Künstlers fast üblich, waren das 1925 Auftragsarbeiten, wohl als Geschenk für den englischen König Georg V. und für den tschechoslowakischen Staatspräsidenten.

Die Plastik zeigt ein Pferd, offensichtlich ein Rennpferd in seinen wesentlichen Umrissen. Der Leib, die Beine und der Schweif sind aus dem Sockel, der bis zum Rücken reicht herausgearbeitet, ohne dass die Körperteile im Einzelnen voll ausgebildet sind. Von der Kuppe bis zum Pferdekopf und bis zu den Nüstern ist eine für Pferde typische leicht geschwungene aber lang gestreckte Linie ausgeprägt. Sie lässt unschwer erkennen, wie das Pferd im Rennen nach vorn streben kann. Die voll ausgearbeitete Brustpartie, der fast überlange Hals und der nach vorn gestreckte Kopf unterstreichen diesen Ausdruck. Der auf dem Pferd sitzende Jockey ist in seiner Körperform voll ausgearbeitet, wenn gleich auch bei ihm teilweise Körperpartien nur in den Umrissen angedeutet sind. Seine Körperhaltung zeigt, dass er sich mit seinem Pferd nicht mehr im Rennen befindet. Das in die linke Hüfte Stützen des linken Arms und sein erhobener zur Seite zeigender Kopf deuten die Pose des Befriedigtseins an, wie sie für Sieger typisch sind.

Dem Künstler ist auch mit dieser Plastik ein Kunstwerk gelungen, das wie viele seiner Arbeiten repräsentativen Charakter hat. Mit seiner sicheren Formensprache gelingt es ihm das Wesentliche darzustellen. Zugleich steigert die Vernachlässigung von Details das Monumentale, das seinen Plastiken innewohnt. Bei dieser Art der Repräsentation bleibt aber die dem Künstler eigene Zuwendung zu den Menschen und den Tieren, die sein ganzes künstlerisches Werk beherrscht, spürbar. Diese Zuwendung hindert ihn offenbar, die Realität soweit zu vermindern, dass abstrakte Figuren oder Formen entstehen, wie das bei anderen Bildhauern seiner Zeit längst zur Ausdrucksform geworden ist. Er bleibt vielmehr am Anfang der Entwicklung dieses Stils stehen.

Hugo Uher ist 1882 in Karlsbad geboren. Nach der Schulzeit beginnt seine künstlerische Ausbildung an der Keramischen Fachschule in Bechyn. Dann folgen Studium der Bildhauerei an der Kunstakademie Prag und einige Studien in Berlin und Rudolfstadt. In Prag wird er in die Meisterklasse des berühmten tschechischen Bildhauers Professor Sucharda, der internationale Bedeutung hatte, aufgenommen. Bereits während seiner Studienzeit beteiligt er sich an Wettbewerben, die er mit Preisen gewinnt. 1906 beendet er sein Studium mit Auszeichnung. Sein erster großer Auftrag, den er als freischaffender Bildhauer in Karlsbad ausführt, ist das Grabmal der bekannten Hoteliersfamilie Karl Pupp.

Es folgen der Bau eines eigenen Ateliers im Haus Horner in Karlsbad und Studienreisen nach Venedig und Rom. Der erste Weltkrieg unterbricht sein künstlerisches Schaffen. Danach folgen zahlreiche Arbeiten für Grabmäler und Gedenkstätten. In Raspenau in Nordböhmen gestaltet er ein Mausoleum für den holländischen Generalkonsul Pohl, das wegen seines außergewöhnlichen Kuppelbaus zugleich eine großartige architektonische Leistung darstellt.

In 1923 heiratet Uher Annel Eberhard, die aus einer alten Karlsbader Familie stammt. 1929 entsteht sein bedeutendste Werk, das Beethoven-Denkmal im Park an der Tepl in Karlsbad. Es folgen das März-Gefallenen-Denkmal im Friedhof in Karlsbad und das Kriegerdenkmal, das 1937 im Park gegenüber der Hauptpost in Karlsbad entsteht. Neben diesen und vielen anderen  Großplastiken entstehen Kleinplastiken, Büsten und Plaketten sowie Aquarelle und Pastell- und Graphitarbeiten. Zu den Kleinplastiken gehört auch die in der Schausammlung der Egerländer Kunstgalerie Ausgestellte mit dem Titel  Schlittschuhläufer, die ebenso wie das Rodlerpaar vom Kunstverein für Böhmen erworben wurde. Obwohl er in seinem künstlerischen Schaffen großen Erfolg hat, bleibt Uher sehr bescheiden und lebt nur seiner Kunst und ist seiner Familie und der Landschaft seiner Heimat zugewandt. Umso tragischer ist sein Schicksal nach dem Zusammenbruch des Naziregimes und dem Ende des zweiten Weltkriegs. Im Juni 1945 wird er in seiner Wohnung im Rahmen der Sippenhaft für den nationalsozialistischen Staatsminister für Böhmen und Mähren Karl Frank, mit dem seine Frau als Cousine verwandt war, verhaftet und verstirbt nach leidvollen Aufenthalten im KZ Neutrohlau und im Gefängnis Prag-Pankraz im Dezember 1945.

Hans-Achaz v. Lindenfels