Es ist vollbracht – Kunstwerk des Monats August 2005

Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz

Es ist vollbracht - Kunstwerk des Monats August 2005

Expressive Darstellung der Kreuzigung Christi

Als Kunstwerk des Monats August 2005 stellen wir  ein Gemälde aus der Kunstsammlung des Malers und Grafikers Norbert Hochsieder vor. Eine Auswahl aus der Kunstsammlung ist zurzeit im Grafikkabinett der Kunstgalerie ausgestellt. Die Ausstellung wurde bis 2. Oktober 2005 verlängert. Das Gemälde stellt eine Kreuzigung Christi dar und trägt den Titel „Es ist vollbracht“, 1952, Acryl auf Holzplatte, 48 x 69 cm.

In der Bildmitte ist beherrschend und hoch aufgerichtet das Kreuz mit dem Körper des sterbenden Christus dargestellt Das Kreuz reicht mit dem Querbalken fast bis an den rechten Bildrand und reicht in der linken Bildhälfte weit in den Hintergrund hinein. Mit dieser Schrägstellung zeigt sich der gequälte und sterbende Körper dem Betrachter in einem ungewöhnlichen Blickwinkel. Zugleich werden der Oberkörper und der Kopf des Gekreuzigten durch Helligkeit hervorgehoben. Die linke nach vorn gedrehte Schulter, das Schild mit der Inschrift J.N.R.J. (Jesus von Nazareth König der Juden) am Ende des Kreuzespfahls und der nach vorn ragende Kopf des Gekreuzigten bilden im oberen Drittel des Bildes die zentrale Stelle, von der die Darstellung beherrscht wird. Diese Bedeutung ist noch dadurch hervorgehoben, dass über dem Haupt Christi eine grelle goldene Gloriole, die der Neigung des Kopfes nach vorn folgt, leuchtet. Dieser goldene Schein bildet mit den Mandorlen (Heiligenscheinen) der am Kreuz stehenden Personen ein Dreieck, wodurch der am Kreuz hängende Körper Christi in seiner Todesqual nochmals betont wird. An der linken Seite des Körpers ist mit einem roten Farbtupfer auch das aus der Brustseite laufende Blut angedeutet.

Der Hintergrund in der oberen Bildhälfte, also der Teil, vor dem das Kreuz mit dem sterbenden Christus angeordnet ist, wird von schwarzen und dunkel-grauen Farbtönen beherrscht. Damit wird eindrucksvoll die Verdunkelung des Himmels in der Sterbestunde Christi vermittelt. In der linken oberen Bildecke wird mit einem blauleuchtenden Kreis mit einem roten Schatten die Verdunkelung der Sonne inszeniert. Diese den Tod Christi begleitende Himmelsveränderung erhält durch hellgraue Farbtöne, die am oberen Rand der unteren Bildhälfte wie ein Band verlaufen, noch eine besondere Betonung. Damit wird auch eine große Weite des Hintergrunds und der Eindruck, dass das Kreuz auf einem hohen Berg steht, erzeugt. Es vermischen sich in der unteren Bildhälfte die grauen Farben mit braunen Erdtönen. Die am Kreuz stehenden zwei Personen werden mit blauen und hellen Farbtönen gekennzeichnet. Ihre Gestalten und Gesichter werden nur durch Gesten der Trauer und Anteilnahme angedeutet. Eine dritte Gestalt kniet am Boden. Der vornüber gebeugte Kopf wird durch die goldene Mandorla  noch hervorgehoben.

Das Kunstwerk belegt wie die als Kunstwerk des Monats bereits vorgestellten Gemälde Semiramis und Pieta von Norbert Hochsieder eindrucksvoll die reiche Phantasie des Künstlers, die ihn befähigt, Visionen mit unerschöpflicher Kreativität und mit großem Elan ins Bildhafte umzusetzen. In seinen Darstellungen, so auch in dieser, wird deutlich mit welcher Intensität er ständig nach neuen und perfekteren Ausdrucksformen sucht. Nicht zuletzt prägt ihn auch die Suche nach der Wahrheit im christlichen Glauben. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Christlichen wird von ihm bereits in den Anfängen seines künstlerischen Schaffens zu einem besonderen Anliegen. Er versteht es, den wichtigsten Bildern des christlichen Glaubens eine expressive Bildsprache zu geben und damit auch Aufmerksamkeit für die Inhalte zu wecken. Er folgt damit auf seine Weise dem Stil des Expressionismus, von dem er durch Emil Nolde, Otto Dix, Max Pechstein und Otto Mueller in der Neuen Sezession beeinflusst wurde.

Norbert Hochsieder ist 1879 in Marienbad geboren. Er entstammt einer Familie, die bereits im 13. Jahrhundert von Passau kommend ins Egerland nach Falkenau einwanderte. Der Vater des Künstlers übersiedelte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in das aufstrebende Marienbad und war als Handwerker erfolgreich. Nach dem Besuch der Staatsfachschule In Teplitz-Schönau studiert Norbert Hochsieder in den Wintersemestern an der Akademie der Bildenden Künste in Dresden, während er sich zugleich um seine fünf Geschwister, um die Erhaltung des väterlichen Betriebs und um den Bau eines Hotels kümmert. Anschließend setzt er seine Studien an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Franz von Stuck, Arnold Böcklin und Max Klinger fort. Bei Studien in Berlin lernt er Adolf Menzel, Heinrich Zille, Max Liebermann, Franz von Lenbach, Friedrich August von Kaulbach u. a. kennen. Schließlich setzt er seine Studien in Paris fort und kann mit Henri Matisse bekannt werden. Er erhält für sein Gemälde Raub der Sabinerinnen einen ersten Preis. Er schließt sich dann der Neuen Sezession mit den oben genannten Künstlern an. Dies bedeutet für ihn zugleich eine Loslösung von den Vorbildern vergangener Studienjahre. Zudem unternimmt er ausgedehnte Reise nach Nordafrika und lebt in der Oase Bou-Saade. Nach Marienbad zurückgekehrt stellt er den begonnen Bau eines Hotels fertig. 1911 heiratet er.

Norbert Hochsieder wird dann noch in Prag zusammen mit Josef Hegenbarth Meisterschüler bei dem aus Franzensbad stammenden August Brömse, dem Leiter der Grafikklasse, der für den Aufbruch der Egerländer Künstler in die Moderne steht. Es folgen vor und nach dem ersten Weltkrieg  zahlreiche Reisen nach Spanien, Frankreich, Polen, Österreich, Ungarn, Italien und in die Schweiz. Inzwischen ist Hochsieder als freischaffender Maler und Grafiker erfolgreich und seine Werke werden in den europäischen Hauptstädten Paris, London, Prag und Berlin sowie in Dresden und München ausgestellt. Viele seiner Werke werden angekauft, allein von der Staatsgalerie in Prag hundert, weitere in München, Berlin, London und Paris. Einen Schwerpunkt seiner Arbeiten bilden Radierungen mit neu entwickelten Techniken. Hochsieder ist Gründungsmitglied des Metzner-Bundes. In Marienbad regt er gesellschaftliche und kulturelle Veranstaltungen an, die zu einer zeitweiligen Hochblüte des Kurbetriebs um 1900 führen.

Im ersten Weltkrieg wird er zum Kriegsdienst herangezogen und überlebt mit erheblichen Gesundheitsschäden als mehrfach ausgezeichneter Hauptmann Einsätze an der West- und Ostfront. Nach dem zweiten Weltkrieg wird er aus der Heimat vertrieben und findet in Ansbach seine zweite Heimat. Dort wird er im Verband der Bildenden Künstler Bayern e.V. tätig und wegen seiner Verdienste Ehrenmitglied. In Ansbach gründet er mit seinem Freund, dem Porzellanskulpteur Waldemar Fritsch, die Künstlervereinigung „Die Barke“, in der sich Ansbacher und heimatvertriebene Künstler zu einem außerordentlich schöpferischen Kreis zusammen finden. Er wird als Altmeister des Expressionismus der Egerländer Künstler gefeiert. In 1958 verstirbt Norbert Hochsieder in Ansbach.

Hans-Achaz v. Lindenfels