Fabrik am Gewässer – Kunstwerk des Monats Dezember 2004

Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz

Fabrik am Gewässer - Kunstwerk des Monats Dezember 2004

Landschaft und Industrie – gegensätzliche Komponenten

Mit dem Kunstwerk des Monats Dezember 2004 wird erneut ein Gemälde des Malers und Grafikers Professor Richard Fleißner vorgestellt. Das Gemälde mit dem Titel Fabrik am Gewässer, um 1970, Öl auf Leinwand, 49,5 x 36,5 cm gehört zu einer Vielzahl von Werken, die auf den  Reisen des Künstlers in den 60iger und anfangs der 70iger Jahre des vorigen Jahrhunderts nach Italien entstanden sind. In der Schausammlung werden insgesamt fünf dieser Werke gezeigt: Haus des Gondoliere, Fabrik am Gewässer, Aus Italien, Kanal in Chioggia und Häuser an der Adria.

Für Richard Fleißner sind die Reisen nach Italien  nach den schwierigen Zeiten des Naziregimes, des Krieges, des Verlustes der angestammten Heimat und der Wiederbegründung einer Existenz eine Wiederbegegnung mit der mediterranen Welt seit den Reisen des Künstlers in den 1920er Jahren. Es ist ein Eintauchen in Gegensätzliches zu dem, was ihn in München, seinem neuen Wohn- und Arbeitsort umgibt und beschäftigt.  Aus den auf diesen Reisen entstandenen Werken ist das Atemschöpfen zu spüren, zu dem Fleißner durch die Landschaft und die mediterranen Orte und Situationen inspiriert wird.  Die mediterrane Welt hatte bereits bei den ersten Reisen bleibende Eindrücke hinterlassen und künstlerisches Arbeiten beeinflusst. Das Mediterrane erlebt Richard Fleißner, wie auch viele Deutsche, die sich in den Süden aufmachen, intensiver als früher.

In dem Gemälde Fabrik am Gewässer sind weniger die Farben und Formen des mediterranen Umfelds prägend. Vielmehr beherrscht der Gegensatz von Industrie und Landschaft die Darstellung. Es fehlt ihm deshalb der Flair des Mediterranen, das die anderen Italienbilder ausstrahlen. Es vermittelt Melancholie, wie sie in dem 1937 entstandenen Werk Häuser in der Dämmerung zum Ausdruck kommt. Auch in der Betonung der Linien und kubistischen Formen stellt das Werk eine konsequente Anknüpfung an die Eindrücke dar, die sich dem Künstler in Böhmen eingeprägt hatten.

Richard Fleißner ist 1903 in Tuschkau, Kreis Mies, geboren. Er studiert  von 1921 bis 1926 in Prag an der Deutschen Akademie der Bildenden Künste bei dem berühmten Professor August Brömse, der für den Aufbruch in die moderne Kunst bei den Egerländer Künstlern steht. Bereits 1922 und 1923 erhält er Preise der Prager Kunstakademie. 1924 wird ihm der Rompreis der Akademie verliehen, der ihm seinen ersten Aufenthalt in Italien zusammen mit seinem Lehrer August Brömse und einigen Studienkollegen ermöglicht. Er macht dann Reisen nach Italien, Hamburg, Paris, an die Nordsee und die französische Küste. Nach seinem Studium in Prag wirkt er zunächst am Realgymnasium in Asch und dann als Professor an der kunstgewerblichen Staatsfachschule in Gablonz. Gleichzeitig arbeitet er auch als freischaffender Maler und Graphiker. Er wird Mitglied der Prager Sezession und nimmt an Ausstellungen der Wiener Sezession sowie an zahlreichen, auch Internationalen Ausstellungen teil. 1927 heiratet Fleißner seine Studienkollegin und Malerin Edith Plischke, von der er 1957 geschieden wird.

In den 30er Jahren gerät Richard Fleißner in zunehmenden Maß in Konflikte mit dem dritten Reich, weil er sich gegen die Gleichmachungstendenzen in der Kunst stellt und an Ausstellungen teilnimmt, bei denen diese Tendenzen nicht gelten.  1938 wird er von der Kunstkammer der Nazis wegen politischer Unzuverlässigkeit gesperrt und von 1941 bis 1945 zum Kriegsdienst eingezogen. Nach dem Krieg siedelt  er freiwillig nach München über, wo er von 1948 bis zu seiner Pensionierung in 1965 an der Deutschen Meisterschule für Mode als Professor für Aktzeichnen, Farb- und Gestaltungslehre und als Dozent am Berufspädagogischen Institut wirkt. 1957 heiratet er die Münchnerin Inge Kern, die im Jahr 1980 stirbt.

Ab 1957 übernimmt  Fleißner bei der Künstlergilde Esslingen die Leitung für die sudetendeutschen Künstler. 1967 erhält er den sudetendeutschen Anerkennungspreis für die bildende Kunst. In den sechziger Jahren unternimmt er Reisen nach Italien, in den siebziger Jahren Reisen nach Cuxhaven und an die Nordsee. Die Eindrücke dieser Reisen verarbeitet er als freischaffender Künstler, der er stets neben seiner Lehrtätigkeit geblieben ist. Er nimmt auch an zahlreichen Ausstellungen, auch internationalen teil. 1973 richtet das Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg eine Ausstellung zum 70. Geburtstag von Richard Fleißner aus. 1979 wird er von der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste zum ordentlichen Mitglied berufen. In den 1980er Jahren ist Fleißner wegen nachlassender Sehkraft gezwungen, seine künstlerische Tätigkeit einzustellen. Frau Gertrud Träger ordnet in dieser Zeit seine Kunstsammlung. 1982 vermacht er dann in einem Testament seine Kunstsammlung und sein Vermögen der Egerland-Kulturhaus-Stiftung Marktredwitz mit der Auflage, eine Egerländer Kunstgalerie als eine Kunstsammlung der modernen Kunst zu errichten. 1983 wird eine Einzelausstellung im Haus der Heimat und im Egerland-Kulturhaus Marktredwitz durchgeführt. 1989 stirbt Richard Fleißner in Gräfelfing bei München.

Im September 1999, also vor fünf Jahren, wird nach Durchführung eines Erweiterungsbaus für das Egerland-Museum die Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz im Altbestand des Egerland-Kulturhauses eröffnet. In der Schausammlung der Kunstgalerie werden nun 80 Exponate von insgesamt 43 Künstlern gezeigt. Im Grafik-Kabinett der Kunstgalerie werden laufend Sonderausstellungen gezeigt. Bisher fanden 7 Sonderausstellungen statt:

1999/2000 Richard Fleißner (* 1903 Tuschkau † 1989 Gräfelfing)
und August Brömse (* 1873 Franzensbad † 1925 Prag) – Grafiken
2001 Adam Kraft (* 1898 Wildstein b. Eger † 1976 Augsburg) – Bilder der Heimat – Grafiken aus dem Frühwerk
2002 Carl Thiemann (* 1881 Karlsbad † 1966 Deutenhofen b. Dachau) – Holzschnitte
2002/2003 Helmut Hellmessen, Maintal b. Frankfurt (* 1924 Karlsbad) – Buch & Kunst – Illustrationen
2003 Josef Kardinal, Zorneding b. München (* 1937 Hollowing b. Marienbad) – Zeichnungen
2003 Maximilian Hüttisch (* 1911 St. Joachimsthal † 1988 München) – Grafik
2003/2004 Walter Lederer (* 1923 Schönbach b. Asch † 2003 Übersee am Chiemsee) – Grafik.

Zurzeit läuft bis 27. 02.2005 die Sonderausstellung Norbert Hochsieder (* 1879 Marienbad † 1958 Ansbach) mit Neuzugängen aus der Schenkung Dr. Peter   Hochsieder, Nürnberg.
In der Publikationsreihe Kunstwerk des Monats wurden seit Anfang 2000 insgesamt 58 Exponate vorgestellt.

Hans-Achaz  v.  Lindenfels