Horizontal, vertikal-rot, schwarz – Kunstwerk des Monats Januar 2005

Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz

Horizontal, vertikal-rot, schwarz - Kunstwerk des Monats Januar 2005

Konkrete sinnliche Erfahrung bei der Farbwahrnehmung

Als Kunstwerk des ersten Monats im neuen Jahr stellen wir das Gemälde Horizontal, vertikal – rot, schwarz, 1973, Acryl auf Leinwand, 180 x 120 cm, des Malers Professor Roland Helmer (* 1940 in Karlsbad-Fischern), Eichenau Landkreis Fürstenfeldbruck, vor. Das Werk zeigt 58 im Wechsel angeordnete, systematisch abgestufte rote und schwarze Waagrechte mit nebelartigen Farbübergängen. So beschreibt jedenfalls die Kunsthistorikerin Karin Birner in den Kurzbiografien der Künstler, deren Werke in der Schausammlung der Egerländer Kunstgalerie ausgestellt sind, dieses Werk.

Das Gemälde ist der konkreten Kunst zuzuordnen, die sich bereits seit den 1930er Jahren vor allem durch die Pariser Künstlervereinigung Abstraction-Création entwickelt hatte. Die Bezeichnung konkrete Kunst hebt hervor, dass die Gestaltung nicht aus einem Abstraktionsvorgang hervorgeht, sondern Linien, Farbe, Fläche, Raum ohne jede Assoziation als autonome künstlerische Mittel eingesetzt werden. Das Lesen der Werke der konkreten Kunst wird zu einer sinnlichen Erfahrung in der Wahrnehmung von Farben und Linien und Flächen.

In Helmers Gemälde weisen die horizontalen Farbstreifen jeweils geometrisch exakt die gleiche Höhe auf. Die Farbabstufungen vermitteln den Eindruck einer Unterteilung in der Breite, die den Betrachter zu einer vertikalen Leserichtung verleiten, obwohl die Komposition eine horizontale Ordnung aufweist. Es entsteht die Illusion von vier senkrechten Streifen von gleicher Breite. Die Serie dieser gleich bleibenden geometrischen Formen, die flächig auf der Leinwand angeordnet sind, scheint, wie Karin Birner hervorhebt, durch die sehr feinen Farbabstufungen in Rot- und Schwarznuancierungen ihre Eindeutigkeit und Flächigkeit zu verlieren. Der räumliche Eindruck, der durch die näher wirkenden Rotschattierungen und die ferner wirkenden schwarzen Farbtöne entsteht, kippt bei längerer Betrachtung mehrfach um. Durch diesen Effekt wird der Betrachter ermuntert, sich mit seiner Wahrnehmung immer wieder aufs Neue auseinanderzusetzen. So bestätigt sich die Erkenntnis, dass Kunst das Medium ist, bei dem visuelle Probleme in Reinform gezeigt werden können. Diese besondere Betrachtungsweise kann faszinierend sein.

Roland Helmer ist 1940 in Karlsbad-Fischern geboren. Nach der Vertreibung lässt sich seine Familie in der Nähe von Dachau nieder. Von 1961 bis 1967 studiert er an der Akademie der Bildenden Künste in München Malerei bei den Professoren Geitlinger und Meistermann. Von 1972 bis 1978 folgt dann Lehrtätigkeit als Assistent bei Professor Fruhtrunk an der Akademie in München. Ende der 1970er Jahre erhält Helmer den Förderpreis des Freistaates Bayern für junge Künstler und zu Beginn der 1980er Jahre den 1. Preis für die Wandgestaltung in der Infanteriestraße in München. Er übt dann eine Lehrtätigkeit an der Schule der Phantasie und am Ignaz-Taschner-Gymnasium in München aus. Dann arbeitet Helmer als Dozent an der Glasurit-Design-Schule in Herbertshausen bei Dachau und an der Akademie für Gestaltung und Handwerk in München. Schließlich wird er 1984 als Professor an die Akademie der Bildenden Künste in München berufen. Ab 1986 arbeitet er freiberuflich in seinem Atelier in Eichenau. Seit 1994 ist er Mitglied der Neuen Gruppe in München. 1997 und 2001 erhält er den Kunstpreis des Landkreises Fürstenfeldbruck. Roland Helmer nimmt an zahlreichen Ausstellungen teil und hat Einzelausstellungen in Würzburg, Dortmund, Berlin, Saarbrücken, Bratislava (Pressburg), Regensburg, Freising, Zürich, Rehau. Helmers Werke sind in: Bayerische Staatsgemäldesammlung, Städtische Galerie Lenbachhaus München, Daimler-Chrysler-Sammlung Stuttgart, Neue Nationalgalerie Berlin, Museum für Konkrete Kunst Ingolstadt, Musée du Château Montbéliard, Museum am Ostwall Dortmund, Museum für Moderne Kunst Cuxhaven.

Das Kunstwerk des Monats ist eine Leihgabe des Künstlers.

Hans-Achaz v. Lindenfels