Ein Pferdegeschirr aus Hunschgrün

“Geborgen und verborgen” –  November 2012

Ein Pferdegeschirr aus Hunschgrün

Ob beim festlichen Einzug der Wiesn-Wirte auf dem Oktoberfest in München, oder beim Leonhardiritt in Kreuth am Tegernsee – überall ziehen die prachtvoll geschmückten Pferdegespanne die Blicke auf sich. Kaltblüter oder Haflinger präsentieren sich auf den Umzügen mit aufwändigen Geschirren, die prunkvoll bestickt und mit hochwertigen Beschlägen versehen sind. Blättert man durch die Fotosammlung des Egerland-Museums in Marktredwitz, so sucht man vergeblich nach solchen Festtagsgeschirren für Pferdefuhrwerke. Man findet Aufnahmen von eingespannten Ochsen- und Pferdefuhrwerken in der Landwirtschaft, Fotografien von Ziegen- und Ponywagen oder sogar eingespannte Hunde, die einen kleinen Leiterwagen ziehen. Aber Pferdewagen mit Prachtgeschirren entdeckt man in der Sammlung nicht. Existierten vielleicht im Egerland solche aufwändigen Geschirre für Pferdefuhrwerke nicht?

Pferdefuhrwerk mit Prachtgeschirr
Kurt Guha, Hunschgrün, undatiert

Diese Frage beantwortet eine Spende, die sich seit kurzem im Bestand des Egerland-Museums befindet: ein aufwändiges, mehrteiliges ledernes Geschirr für ein Pferdefuhrwerk. Die Schlaufen und Schnallen des Geschirrs sind mit silbernen Beschlägen verziert und teilweise mit edlen Pferdekopf-, Hufeisen- und Herzmotiven dekoriert. Dieses wunderschöne Geschirr, das das Herz eines jeden Pferdefreundes höher schlagen lässt, wurde von Herrn Kurt Guha im Egerland-Museum als Spende abgegeben.

Übergabe des gespendeten Pferdegeschirrs im Egerland-Museum
Carola Reul, Egerland-Museum, Spender Kurt Guha

Der passionierte Pferdeliebhaber erzählte uns bei der Übergabe die Geschichte seines Pferdegeschirres:

“Von diesem Geschirr könnte ich einen Roman schreiben. Es hat mir viel Freude bereitet, mich aber auch in große Gefahr gebracht, als wir es am 27. Oktober 1946 heimlich über die Grenze nach Deutschland brachten, dabei hätte ich im Gefängnis landen können. An die Gefahr habe ich damals nicht gedacht, ich wollte nur mein Geschirr retten.

1939 hatten wir zwei Kaltblüter, und das Geschirr war noch ganz einfach. Mein Wunsch war es junge Pferde und schmuckes Geschirr zu haben. Ich habe in Altrohlau bei Karlsbad Huf- und Wagenschmied gelernt und in der Schmiede war es Samstags wie beim Friseur, ich habe immer das Neueste erfahren und so habe ich für mein Pferdegeschirr gekauft, was ich bekommen konnte. Es war nicht billig, ein Pferdekopf war unter 30 bis 40 Reichsmark nicht zu haben.

1940/41 ging mein Wunsch in Erfüllung, ich habe von meinem Vater zwei junge Hengste, eindreiviertel Jahre alt, bekommen. Für diese Pferde habe ich dann das Geschirr anfertigen lassen, in unserer Pferdegeschirrkammer alles durchsucht und Geschirrteile von meinem Großvater gefunden, auf die ich besonders stolz bin. Ich habe in Altrohlau einen Sattler gefunden, der mir meine Wünsche erfüllte. Im Oktober 1941 musste ich zum Militär und mein Pferdegeschirr hat schwer gelitten, es verdreckte ganz. Anfang März 1946 kam ich aus der Gefangenschaft nach Hause. Meine Mutter hat gebettelt, dass ich auf dem Hof bleiben solle.

Am 27. Oktober 1946 mussten wir den Hof verlassen und sind in Hof an der Saale gelandet. In der Turnhalle haben wir unsere letzten Habseligkeiten, auch das Geschirr, gelagert.

1949 bin ich nach Oberursel im Taunus gezogen. 1950 habe ich mein Pferdegeschirr nachgeholt und im Keller gelagert. Oberursel war damals eine Karnevalshochburg und beim Umzug fuhren noch viele Pferdegespanne mit. Ich habe mich mit den Gespannbesitzern unterhalten und gesagt, dass ich ein solches Prachtgeschirr habe. Die Begeisterung war groß und ich habe mich dann viele Abende hingesetzt, das Geschirr repariert, gereinigt und poliert. Als ich die Pferde mit meinem Geschirr eingespannt habe, wollten sie es mir sofort abkaufen und haben mir viel Geld geboten, aber ich konnte mich nicht von meinem Geschirr trennen. Ich habe dann viele Jahre für Karnevalsumzüge das Geschirr verliehen, sogar nach Frankfurt/ Main.

Nun werde ich 89 Jahre und möchte den Egerländern mein Pferdegeschirr als Andenken an die Heimat hinterlassen. Ich schenke dem Egerland-Museum in Marktredwitz das Geschirr.”

Kurt Guha zeigt die einzelnen Teile des Pferdegeschirrs im Egerland-Museum

Das Egerland-Museum möchte sich noch einmal recht herzlich für diese wertvolle Spende bedanken. Obwohl das Herz von Herrn Guha noch sehr an dem Pferdegeschirr und den damit verbundenen Erinnerungen an seine Pferde und an seine alte Heimat hing, war es ihm ein großes Anliegen, das Prachtgeschirr dem Egerland-Museum zu spenden.

Zierbeschlag mit Pferdekopfmotiv, Teil des Geschirrs

Wir erinnern  uns gerne an den interessanten Nachmittag mit Herrn Guha und seinen Begleiter Herrn Stiefl zurück. Wir sagen auch noch einmal recht herzlichen Dank für seine Geschichte und das wundervolle Pferdegeschirr.

Detail des Pferdegeschirrs von Herr Kurt Guha aus Hunschgrün

Carola Reul M.A.
Egerland-Museum Marktredwitz

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, von 14:00 bis 17:00 Uhr