Häuser an der Adria – Kunstwerk des Monats September 2004
Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz
Häuser mit mediterranem Charme und Zeichen des Verfalls
Mit dem Kunstwerk des Monats September 2004 wird ein Exponat des Malers und Grafikers Professor Richard Fleißner vorgestellt. Das Gemälde mit dem Titel Häuser an der Adria, um 1970, Öl auf Leinwand, 35,5 x 51 cm gehört zu einer Vielzahl von Werken, die auf den Reisen des Künstlers in den 60iger und anfangs der 70iger Jahre des vorigen Jahrhunderts nach Italien entstanden sind. In der Schausammlung werden insgesamt fünf dieser Werke, die Gebäude im mediterranen Umfeld darstellen, gezeigt: Haus des Gondoliere, Fabrik am Gewässer, Aus Italien, Kanal in Choggia und Häuser an der Adria.
Die nach den schwierigen Zeiten des Naziregimes, des Krieges und der Wiederbegründung einer Existenz durchgeführten Reisen waren für Richard Fleißner die Wiederbegegnung mit dem Mittelmeer und dem südlichen Gebiet um dieses Meer, also der Mediterraneis. Die mediterrane Welt hatte bereits bei den Reisen in den 20er und 30er Jahren bleibende Eindrücke hinterlassen und künstlerisches Arbeiten beeinflusst. Das Mediterrane erlebt Richard Fleißner, wie auch viele Deutsche, die sich in den Süden aufmachen, intensiver als früher. Bei diesen Reisen entstandene Lichtbildserien zeigen die vielseitige Beschäftigung mit diesem Teil der Welt.
Fleißners italienischen Landschaften mit den stark vereinfachten tektonischen Formen, der reizvollen Geometrie der Linien und ihrer schwebenden Farbigkeit strahlen eine faszinierende Leichtigkeit aus. Motivisch verarbeitet Fleißner, die konstruktiv verschachtelte Architektur der Lagunenstädte und Fischerdörfer Venetiens. Diese Eindrücke stehen in gewissem Gegensatz zu den Bildern, die er in seiner Heimat in Böhmen, in Tuschkau, Kreis Mies, im Egerland, in Prag, in Gablonz, an der Elbe sowie bei seinen Reisen an die Nordsee in sich aufgenommen hatte. Die Zeichnungen und Gemälde aus Italien spiegeln das mediterrane Flair, die intensiven Farben des Südens, das von der Freude an Formen und Farbe bestimmte Lebensgefühl wieder. In dem Gemälde Häuser an der Adria ist dies alles eingefangen und doch ist es kein Bild, in dem sich die heile Welt wieder spiegelt. Vielmehr zeugen die Gebäude mit ihrer Kargheit und mit den Zeichen des beginnenden Verfalls davon, dass hier nicht Reichtum und Pracht herrscht. Diese Häuser zeugen vielmehr von harter Arbeit ihrer Besitzer und von einem bescheidnen Auskommen.
In der Ausstellung Richard Fleißner und sein Lehrer August Brömse, die zur Eröffnung der Egerländer Kunstgalerie in 1999 gezeigt wurde, konnte die Entwicklung in Fleißners Werken zur Abstraktion einprägsam aufgezeigt werden.. Diese Weiterentwicklung zum Abstrakten mit der Betonung der Linie und der nicht vollständigen Aufgabe des Gegenständlichen ist für Richard Fleißner typisch und bedeutet für ihn zugleich seine geistige Bindung an die Eindrücke, die er in seinem ganzen Leben von seiner Egerländer Heimat wach gehalten hat.
Richard Fleißner ist 1903 in Tuschkau, Kreis Mies, geboren. Die Reifeprüfung legt er in Leitmeritz ab, wohin sich sein Vater versetzen lässt, damit er die höhere Schule besuchen kann. Er studiert dann von 1921 bis 1926 in Prag an der Deutschen Akademie der Bildenden Künste bei dem berühmten Professor August Brömse, der für den Aufbruch in die moderne Kunst bei den Egerländer Künstlern steht.
Bereits 1922 und 1923 erhält er Preise der Prager Kunstakademie. 1924 erhält er den Rompreis der Akademie, der ihm seinen ersten Aufenthalt in Italien zusammen mit seinem Lehrer August Brömse und einigen Studienkollegen ermöglicht. Er macht dann Reisen nach Italien, Hamburg, Paris, an die Nordsee und die französische Küste.
Nach seinem Studium in Prag wirkt er zunächst am Realgymnasium in Asch und dann als Professor an der kunstgewerblichen Staatsfachschule in Gablonz. Gleichzeitig arbeitet er auch als freischaffender Maler und Graphiker. Er wird Mitglied der Prager Sezession und nimmt an Ausstellungen der Wiener Sezession sowie an zahlreichen, auch Internationalen Ausstellungen teil. 1927 heiratet Fleißner seine Studienkollegin und Malerin Edith Plischke, von der er 1957 geschieden wird.
In den 30er Jahren gerät Richard Fleißner in zunehmenden Maß in Konflikte mit dem dritten Reich, weil er sich gegen die Gleichmachungstendenzen in der Kunst stellt und an Ausstellungen teilnimmt, bei denen diese Tendenzen nicht gelten. 1938 wird er von der Kunstkammer der Nazis wegen politischer Unzuverlässigkeit gesperrt und von 1941 bis 1945 zum Kriegsdienst eingezogen. Nach dem Krieg siedelt er freiwillig nach München über, wo er von 1948 bis zu seiner Pensionierung in 1965 an der Deutschen Meisterschule für Mode als Professor für Aktzeichnen, Farb- und Gestaltungslehre und als Dozent am Berufspädagogischen Institut wirkt. 1957 heiratet er die Münchnerin Inge Kern, die im Jahr 1980 stirbt.
Ab 1957 übernimmt Fleißner bei der Künstlergilde Esslingen die Leitung für die Sudetendeutschen Künstler. 1967 erhält er den sudetendeutschen Anerkennungspreis für die bildende Kunst. In den sechziger Jahren unternimmt er Reisen nach Italien, in den siebziger Jahren Reisen nach Cuxhaven und an die Nordsee. Die Eindrücke dieser Reisen verarbeitet er als freischaffender Künstler, der er stets neben seiner Lehrtätigkeit geblieben ist. Er nimmt auch an zahlreichen Ausstellungen, auch internationalen teil. 1973 richtet das Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg eine Ausstellung zum 70. Geburtstag von Richard Fleißner aus. 1979 wird er von der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste zum ordentlichen Mitglied berufen. In den 80er Jahren ist Fleißner wegen nachlassender Sehkraft gezwungen, seine künstlerische Tätigkeit einzustellen. Frau Gertrud Träger ordnet in dieser Zeit seine Kunstsammlung. 1982 vermacht er dann in einem Testament seine Kunstsammlung und sein Vermögen der Egerland-Kulturhaus-Stiftung Marktredwitz mit der Auflage, eine Egerländer Kunstgalerie als eine Kunstsammlung der modernen Kunst zu errichten. 1983 wird eine Einzelausstellung im Haus der Heimat und im Egerland-Kulturhaus Marktredwitz durchgeführt. 1989 stirbt Richard Fleißner in Gräfelfing bei München.
Im September 1999, also vor fünf Jahren, wird nach Durchführung eines Erweiterungsbaus für das Egerland-Museum die Egerländer Kunstgalerie Markredwitz im Altbestand des Egerland-Kulturhauses in Marktredwitz eröffnet. In der Schausammlung der Kunstgalerie werden nun mehr als 80 Exponate von insgesamt 45 Künstlern gezeigt.
Hans-Achaz v. Lindenfels