Zellbild 64/10 – Kunstwerk des Monats Juli 2003

Egerländer Kunstgalerie Marktredwitz

Die Suche nach der Wahrheit im Mikrokosmos

Zellbild 64/10 - Kunstwerk des Monats Juli 2013

Mit dem Gemälde Zellbild 64/10, 1964, Öl auf Leinwand, 100 x 95,5 cm  des  Malers Josef Kroha stellen wir ein Exponat aus der Schausammlung vor, das  die Suche des Künstlers nach Wahrheit auf der Grundlage der Natur, und zwar im Mikrokosmos der Zellen,  exemplarisch kennzeichnet. Die künstlerische Arbeit von Josef Kroha ist von Natur und Landschaft geprägt. In diesem Bezug spiegelt sich, die Verwurzelung mit seiner Egerländer Heimat, die er im jugendlichen Alter in sich aufnimmt und der er stets treu geblieben ist, wenn gleich er auch in seiner zweiten Heimat in der Halletau in Bayern tiefgehende Wurzeln geschlagen hat.

Über die Jugendeindrücke Krohas berichtet der Kunsthistoriker Dr. Wilhelm Gall (anlässlich einer Ausstellung in der Galerie der Girokasse Stuttgart, 1972):

Der  Geburtsort  Schönficht sei ein Dorf in einer waldreichen Mittelgebirgslandschaft, die  für das Kind geheimnisvolle Schätze barg. Heilende Wasser sprudelten aus dem Erdinnern  hervor  und die Großmutter wusste von Geistern, Riesen und Feuermänn- chen zu erzählen. Nichts  war  dem  träumerischen  Knaben lieber, als allein und geborgen von einem  kleinen  Fenster  im Dach-boden aus die farbigen Hügelwellen aus   der Vogelperspektive zu überschauen oder auf einem Floß im stillen Teich zu liegen und  gespannt  zu  lauschen,  was  sich  an  Pflanzen  und  Getier regte oder aus der   schwarzen Tiefe lautlos emporkam.

Als Maler sieht Josef Kroha es jedoch nicht als seine Aufgabe, Reproduktionen der Realität zu fertigen. Für ihn ist die intensive Beschäftigung mit Natur und Landschaft Grundlage für die geistige Auseinandersetzung mit der Welt und für seine Suche nach der Wahrheit. In den Zellbildern der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts setzt er seine Erfahrung mit der Natur in Bildstrukturen um, die den Formen des Mikrokosmos entnommen sind. Der Kosmos hat für den Maler hohe Bedeutung. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts beginnt er sich mit dem Makrokosmos, dem Weltall mit Sternen und Planeten, auseinander zu setzen.

Marcus Spangenberg (Vorwort zum Katalog der Einzelausstellung in  der  Galerie  der Sparkasse Pfaffenhofen a. d. Ilm, 2000) meint, dass sich in den Werken des Künstlers das Erarbeiten von Gegensätzen zeigt. Es herrsche Polarität vor, verdeutlicht durch horizontale Schichtungen oder in Verdoppelungen durch Spiegelung. Diese Form entspräche unserem Leben: hell oder dunkel, warm oder kalt, laut oder leise, oben oder unten, gut oder böse, etc.

Diesem Prinzip der Polarität entspricht auch das Zellbild 64/10  In der Bildmitte verläuft eine Linie vertikal, wie ein Strang, an dem jeweils links und rechts vier rundliche zellenartige Gebilde anliegen. Sie entsprechen sich nicht bis ins Detail aber in der Größe und in der Grundstruktur. Um ein filigranhaftes Pinselstrichgespinst (Gall), das den Kern des Gebildes darstellt, wuchert und wabert  jeweils eine durchsichtig erscheinende Masse. In den in Grau- und Brauntönen gestalteten Gebilden werden Teile der Kernstücke durch Gelbtöne hervorgehoben. Sie erzeugen Spannung. So erinnert die Darstellung an die Anfänge des Lebens, an Urzellen des Kosmos.

Josef Kroha selbst sagt zu seinen Werken: „Mein Ziel ist im Unendlichen, und so muss ich versuchen, den Gesetzmäßigkeiten des Kosmos, den Zusammenhängen unseres Daseins, die sich oft nur erahnen lassen, nahe zu kommen und die richtigen Mittel zu wählen zur Verdeutlichung. Die absolute Wahrheit lässt sich nur schwer finden und darstellen, man kann sich nur herantasten… Die Malerei allein kann geistige Beziehungen aufdecken. Für mich ist Geist und geistige Welt erlebte Wirklichkeit.“

Mit diesen Worten wird der Betrachter des Gemäldes zusätzlich angeregt, über die Zusammenhänge unseres Daseins und über den Kosmos nachzudenken, gerade in einer Zeit, in der die Naturwissenschaften mit den Bausteinen des menschlichen Lebens, den Genen, tief greifende neue Erkenntnisse aufzeigen. Es will scheinen, als ob Josef Kroha derartigen Erkenntnissen Dank seiner intensiven und einzigartigen Auseinandersetzung mit dem Kosmos bereits auf der Spur gewesen ist.

Der Maler Josef Kroha ist 1929 in Schönficht bei Marienbad ge-boren. In 1938 über-siedelt die Familie nach Königsberg an der Eger, wo der Vater ein Gasthaus gepachtet hatte. Auch hier ge-winnt der Knabe, so wie in seinem Geburtsort, bleibende Ein-drücke in seinem von der Natur geprägten Umfeld. Nach Krieg und Vertreibung fin-det die Familie zunächst in Bayern eine Blei-be. Als der Vater 1950 stirbt, kommt der junge Josef zu Verwand-ten in Göppingen. Hier beginnt er zu malen. Ein Student der Stutt-garter Kunstakademie ermutigt ihn, Proben seiner Arbeiten an die Aufnahmekommission der Akademie zu senden. Und ohne wei-tere Prüfung wird er an der Aka-demie aufgenommen.

Von 1953 bis1958 studiert Kroha Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. 1959 ist er Meisterschüler bei Professor Manfred Henninger. Im gleichen Jahr erhält er den 1. Preis im Wettbewerb „Deutscher Kunstpreis der Jugend“ in Baden-Baden. Er arbeitet dann in Stuttgart als freischaffender Künstler. 1965/66 erhält er ein Stipendium des Landes Baden-Württemberg für einen einjährigen Studienaufenthalt in der Cité des Arts Paris. In 1967 übersiedelt er nach Pfaffenhofen a. d. Ilm, wo er weiterhin als freischaffender Künstler arbeitet.

Josef Kroha unternimmt Studienreisen in viele Länder und nimmt an zahlreichen Ausstellungen teil. So beteiligt er sich an Ausstellungen in Stuttgart und von 1958 bis 1972 an den Großen Kunstausstellungen im Haus der Kunst in München. Ferner an Ausstellungen u. a. in Kairo, Alexandria, Tripolis, Bagdad, Paris, Barcelona und Madrid. Seine Werke finden Aufnahme in vielen in und ausländischen Sammlungen, so u. a. in der Staatsgalerie des Landes Baden-Württemberg in Stuttgart, Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg, Galerie der Stadt Stuttgart, Kultusministerium Stuttgart, Bundesministerium des Innern in Bonn, Galerie Gerling in Köln, Städtische Sammlungen in Reutlingen und Tübingen, Sammlung der Künstlergilde Esslingen e. V., Sammlung des Adalbert-Stifter-Vereins in München, Sammlung Kuntsi Helsinki, Museum Akron USA, Städtisches Museum Ottawa, Kanada, Sammlung „Fähre“ in Saulgau, Sammlung Kleinberger, Zürich, Sammlung K. Richter, Berlin, Sammlung Franke Murrhardt, Sammlung Lütze, Stuttgart, Sammlung Dr. Walter Zügel, Stuttgart, Sammlung Günther Würth, Stuttgart.

1987 erhält Josef Kroha Anerkennung durch den Ordre de Saint Fortunat mit der Verleihung der „Recherche de la Qualité“ in Budapest. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft zeichnet ihn 1988 mit dem Kulturpreis für die Bildende Kunst und Architektur aus. Ebenfalls in 1988 erhält er von der Künstlergilde Esslingen e. V. die Ehrengabe des Lovis-Corinth-Preises.

Josef Kroha ist 1961 Gründungsmitglied der Neuen Württembergischen Gruppe in Stuttgart, Mitglied des Künstlerbundes Baden-Wütrttemberg, der  Künstlergilde  Esslingen e. V., des Adalbert-Stifter-Vereins München und der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste in München

Hans-Achaz v. Lindenfels